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Teures Investment: das WM-Studio von ARD und ZDF

© dpa / dpa/Arne Dedert

Absage per Fernbedienung : 50 Prozent weniger WM-Zuschauer

Turnier im Winter, kein Public Viewing, Missstände im Gastgeberland, Boykott: Das Fernsehprogramm Fußball kommt an seine Grenzen.

Die Schlussfolgerung sieht sich wagemutig an, ist es aber nicht. Wenn sich die Zuschauerzahl für ein Fernsehprogramm halbiert, dann wandert sie unweigerlich auf den TV-Friedhof. Es sei denn, es ist Fußball-WM, von den übertragenden Sendern für teuer Geld eingekauft, das Regelprogramm weggeräumt für 24/7 Fußball.

Vehementer Quoteneinbruch

ARD und ZDF melden einen vehementen Einbruch bei den Quoten. Wurden bei der WM in Russland 2018 in der Gruppenphase noch je Spiel 9,254 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer gemessen, so waren es bei der laufenden WM gerade noch 4,802 Millionen. Noch ernüchternder ist die Bilanz für das Achtelfinale: 4,775 statt 9,997 Millionen. Das Minus beträgt mehr als 50 Prozent. Es gibt Abende, da können Erstes und Zweites mit Fiktions-Wiederholungen erfolgreicher punkten als mit WM live. Welche Zahlen der Streamingdienst Magenta TV, der als einziger Anbieter alle 64 Spiele live überträgt, erreicht, wird verschwiegen.

Eine WM im Winter statt im Sommer, kein stimmungsförderndes Public Viewing, ein Turnier in Katar, wo Menschenrechtsverletzungen gegenüber Homosexuellen und miserable Bedingungen für die Arbeitsmigranten publik wurden - schon vor der WM formulierte sich Widerstand, ja Boykott. Stell Dir vor, es ist Fußball-WM - und ich gucke nicht hin. Das miserable Abschneiden der deutschen Mannschaft wird das TV-Verhalten nicht nachhaltig beeinflusst haben, auch in Russland war für die Deutschen nach der Vorrunde Schluss.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben wohl damit gerechnet, dass mit Start und Verlauf des Turniers sich die Stimmung wenigstens in Teilen dreht. Ist nicht passiert, wie auch ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky konstatiert: „Viele Menschen sind konsequent geblieben.“ Was auch die Zahlen für die deutschen Partien zeigen: 2018 zeigte das TV-Barometer noch einen Schnitt von 25 Millionen, vier Jahre später ging es runter auf 15 Millionen. Diese WM ist ein Spaltpilz und nicht das gewohnte Lagerfeuer.

Kommerzialisierung wird abgelehnt

Zu diesen Gründen kommen jene, die die Medienwissenschaftlerin Jana Wiske nennt: Viele Menschen würden „diese extreme Form der Kommerzialisierung immer mehr ablehnen. Die Summe der Missstände rund um die WM in Katar und die dubiose Rolle der Fifa war für einen großen Teil der Fußballfans zu viel.“

Die große Frage, die hinter diesen WM-Quoten auftaucht: Lohnt sich auch künftig das große Investment der Sender und Streamer, wenn es um Fußball geht? Kein Fernsehprogramm ist teurer als dieser Sport. Ein Sport, den das große (TV-)Geld schmiert. Und so geht es erst mal weiter: Dazn und Amazon haben sich die Rechte für drei Spielzeiten Champions League ab 2024/25 gesichert. Dazn überträgt pro Saison 186 von 203 Spielen, Amazon 17.

Der Zuwachs an Spielen liegt am neuen Format. Die Anzahl der beteiligten Vereine steigt von 32 auf 36, und die Gruppenphase wird durch eine Ligaphase ersetzt. Jeder Club bestreitet zunächst acht Spiele gegen acht verschiedene Gegner. Neu ist auch: Vor der K.o.-Phase gibt es noch Playoff-Spiele für die Teams, die in der Liga auf den Plätzen 9 bis 24 gelandet sind.

Die Blähung des Wettbewerbs ist der Gier der Klubs geschuldet, die Champions League ist eine Geldmaschine. Für den Fan heißt das: zwei Abos. Macht er das alles klaglos mit? Mit der WM in Katar sind Gewissheiten ins Rutschen geraten. Vielleicht kommt nicht er Boykott - sondern der Überdruss am Überfluss.

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