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Medien: 53 getötete Reporter

2004 war ein sehr gefährliches Jahr für Journalisten

Die Telephone im Pariser Hauptsitz der internationalen Organisation „Reporter sans frontières“ stehen nicht still. Seit einer Woche geht es um die Naturkatastrophe in Südostasien. „Unsere Mitarbeiter dort erhalten täglich neue Schreckensmeldungen von verschwundenen oder toten Journalisten", berichtet der für Nachrichten zuständige Redakteur JeanFrancois Julliard dem Tagesspiegel. Allein aus der von der Flutwelle am meisten betroffenen indonesischen Region Aceh werden mehr als 100 Reporter und Medienarbeiter der einzigen Tageszeitung „Serambi Indonesia“ als vermisst oder tot gemeldet.

Dennoch werden die wegen des Tsunami verschwundenen Journalisten bei der jährlichen Bilanz getöteter Reporter im nächsten Jahr voraussichtlich nicht mitgezählt. Die renommierte Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hält sich strikt an das Prinzip: „Politischer Hintergrund“. Guillard: „Wir kümmern uns in erster Linie um Medienleute, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet oder wegen mangelnder Pressefreiheit schwerwiegend behindert wurden.“ So erklären sich die höchst unterschiedlichen Zahlen, die die verschiedenen mit dem Thema beschäftigten Organisationen zum Jahresbeginn regelmäßig veröffentlichen. Beim Internationalen Institut für Nachrichtensicherheit (INSI) beispielsweise fiel die Bilanz mit 117 weltweit getöteten Journalisten im Jahr 2004 weitaus höher aus als bei den „Reportern“, weil dieser Verband Opfer mitaufführt, die bei Unfällen oder wegen Krankheiten ums Leben kamen. „Reporter sans frontières“ hingegen registrierte am Donnerstag „nur“ 53 getötete Reporter im vergangenen Jahr. Trotz unterschiedlicher Zahlen kommen beide Verbände zu einem Ergebnis: 2004 war das tödlichste Jahr für Journalisten seit zehn Jahren. „In China, Birma, Vietnam, Nordkorea, den Philippinen sowie in etlichen lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern werden Journalisten regelmäßig ausspioniert und müssen, weil sie in Sachen Korruptionsffären, Drogengeschäften oder Mafia-Aktivitäten recherchieren, mit Sanktionen rechnen.“ Von harten Maßnahmen der jeweiligen Regierungen – Verhaftungen, Gefängnisstrafen oder womöglich Ermordungen – seien zu 80 Prozent einheimische Medienleute betroffen. „Ausländische Korrespondenten sind relativ geschützt, sie müssen im schlimmsten Fall mit einer Ausweisung rechnen.“

Die gefährlichste Region für Journalisten war 2004 zum zweiten Mal der Irak, wo im vergangenen Jahr 19 Journalisten und zwölf Medienarbeiter getötet und mindestens zwölf ausländische Journalisten entführt wurden. INSI-Direktor Rodney Pinder erklärte schon zum Jahresende in einer Pressemitteilung: „Die Opferzahl von Journalisten und ihren Mitarbeitern ist nirgendwo erschreckender als im Irak. Dort nehmen unglaublich mutige Frauen und Männer jeden Tag das Risiko von Kugeln, Bomben und Entführungen in Kauf."

Sabine Heimgärtner[Paris]

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