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Unerwartete Wende. Nach der Gerichtsverhandlung flieht Thomas Lichter (Marcus Mittermeier) mit Kommissarin Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) als Geisel.

© ZDF und Marion von der Mehden

Abendkrimi im ZDF: „Die Männer sind schwer verletzt oder tot“

Lisa Maria Potthoff spricht im Interview über ihre toughe ZDF-Polizistin, die Kampftechnik Krav Maga und die #MeToo-Debatte.

Sie vermöbeln als Sarah Kohr zwei Männer, schießen, rennen, klettern, rasen mit Auto und Boot davon – die Dreharbeiten müssen großen Spaß gemacht haben.

Ja, sich körperlich austoben zu können, ist ungewöhnlich, gerade als Frau. Action ist ja eher eine Männerdomäne. Das war wahnsinnig schön.

Eine derart starke physische Präsenz ist für Ermittlerinnen im Fernsehen ziemlich einzigartig. Wie kam es dazu?

Wir hatten 2013 „Der letzte Kronzeuge“ gedreht, als Einzelfilm mit Sarah Kohr. Dann wurde ich nach der Ausstrahlung angesprochen, ob wir nicht ein Reihenkonzept entwickeln sollen. Schon der erste Film erzählte eine kleine Heldenreise. Sarah Kohr soll nicht die 15. Kommissarin sein, die fragt: Wo waren Sie zwischen 15 und 18 Uhr? Sie ist eine Frau, die vor ein Problem gestellt wird, das nur sie alleine lösen kann. Oder die das jedenfalls glaubt und auch nicht viele Freunde hat.

Gab es Vorbilder für die Figur?

Nein. Wir haben sie am Drehort oft im Spaß Britta Willis genannt (lacht). Aber wir wollen uns natürlich nicht ernsthaft mit Bruce Willis und Hollywood-Actionfilmen vergleichen. Die Herausforderung ist, dass es nicht so behauptet wirkt, dass sie nicht mit markigen Sprüchen männlicher tut als jeder Mann und auch eine weibliche Zartheit besitzt. Sie ist eine mutige Frau, die einfach macht und nicht viel darüber nachdenkt.

Ist diese Figur auch eine Art Statement gegen landläufige Frauenbilder im Fernsehen?

Ich habe schon das Gefühl, dass die Frauenfiguren generell stärker geworden sind. Das klassische Rollenbild von der schwachen Frau an der Seite eines starken Mannes ist sowieso überholt.

Sich wehren zu können wie die furchtlose Sarah Kohr – ziehen Sie selbst eine Verbindung zur #MeToo-Debatte?

Ich finde es wichtig, meinen Kindern mitzugeben, dass Frauen etwas zählen, dass ein Nein zählt, dass wir selbstbewusste, den Männern ebenbürtige Wesen sind. Dieser Film zeigt eine Frau, die sich behaupten kann, aber einen konkreten #MeToo-Bezug herzustellen, wäre etwas hoch gegriffen. Im nächsten Film, den wir gerade gedreht haben, gingen die Männer entweder tot oder schwer verletzt aus den Begegnungen mit Sarah Kohr heraus. Das fand ich schon gut.

Man kann es ja praktisch sehen: Sie führen vor, dass man sich auch als physisch unterlegene Frau erfolgreich wehren kann.

Absolut, und genau das ist die Philosophie der Kampftechnik Krav Maga, die ich lerne. Der israelische Geheimdienst Mossad hat so trainiert, und die Techniken werden auch bei der deutschen Polizei und beim Militär gelehrt. Weil man mit ein, zwei Griffen den Gegner sehr schnell überwältigen kann.

Was bewirkt das Training?

Der Körper verändert sich. Ich bin sehr viel muskulöser. Das sieht teilweise sehr lustig aus, wenn man als Frau einen relativ großen Bizeps hat.

Wie sind Sie auf Krav Maga gekommen?

Eigentlich habe ich damit für einen Film für die ARD begonnen, in dem ich eine Frau auf einem Rachefeldzug spiele. Der Film wird aber erst im Herbst ausgestrahlt. Womit man sich als Frau am Anfang stark beschäftigen muss, ist, die Hemmschwelle bei einer körperlichen Konfrontation zu überwinden. Das schult Krav Maga in Stresssituationen und Kampfszenarien. Man lernt, dass man nicht in eine Schockstarre verfällt, sondern instinktiv, schnell reagiert.

Haben Sie bei „Sarah Kohr – Mord im Alten Land“ alle Stunts selbst übernommen?

Ja, bis auf ein, zwei Sekunden, in denen Sarah Kohr auf einem Dach zu sehen ist. Das musste eine Stuntfrau für mich übernehmen, aus versicherungstechnischen Gründen, weil das Dach alt und marode war. Mittlerweile setzt mich der Stuntkoordinator jedoch auch bei Szenen ein, bei denen sonst eine Stuntfrau einspringen würde. Bei einem Sturz in ein Regal zum Beispiel. Dieser Nervenkitzel ist eine schöne Herausforderung.

Wir haben die #MeToo-Debatte bereits angesprochen: Wie sind Ihre eigenen Erfahrungen in der Film- und Theaterbranche?

Ich möchte da nicht ins Detail gehen, aber ich hatte meine #MeToo-Momente in den 20 Jahren meiner Karriere. Situationen, die nicht schön, aber äußerst selten waren. Insbesondere in einer Situation bin ich als junge Schauspielerin sehr in Bedrängnis geraten. Aber ich konnte das meistern, und im Nachhinein hat mich das sehr gestärkt. Weil ich gemerkt habe, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann.

„Äußerst selten“ bedeutet was?

Ich habe es ein Mal am Theater und ein Mal beim Film erlebt. Ich denke, es kommt in allen Bereichen und Berufen vor. Es hat immer etwas damit zu tun, dass Menschen meinen, ihre Machtpositionen ausnutzen zu können. Und dann ist eben die große Frage, wie viel Stärke besitze ich zu sagen: Mit mir nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich dieser Mut, sich treu zu bleiben, auszahlt – auch wenn es der Karriere vielleicht schaden könnte.

Haben Sie sich in diesen Situationen unterstützt gefühlt? Oder wurden Sie alleingelassen?

Ich wurde damals von Familie und Umfeld unterstützt. Und sicher kann man auch heute noch nicht auf die Unterstützung aller hoffen. Da tut sich aber gerade eine Menge. Am Abend vor dem ersten Drehtag des nächsten „Sarah Kohr“-Films hat unser Produzent in seiner Ansprache betont, dass Übergriffe nicht geduldet werden und dass sich Frauen, die sich am Set unwohl fühlen, an eine Kontaktperson wenden können. So etwas gab es bis vor Kurzem einfach nicht. Obwohl diese #MeToo-Debatte teilweise sehr überhitzt war, hoffe ich, dass etwas Gutes dabei herumkommt. Und trotzdem kein verkrampftes Miteinander entsteht.

Noch mal zurück zum Thema Krimi: Sie gehören zu der seltenen Spezies, die sowohl in der ARD als auch im ZDF eine Hauptrolle in einer Krimireihe hat – noch. Warum steigen Sie aus den „Usedom-Krimis“ aus?

Das überschneidet sich zwar im Programm, tatsächlich liegt ein großer Zeitraum zwischen den Dreharbeiten. Ich habe Anfang 2017 zum letzten Mal in einem Usedom-Film mitgewirkt (der in der ARD noch nicht ausgestrahlt wurde, d.Red.). Der Ausstieg war schon im Sommer 2016 mit der Produktion besprochen. Ich hatte das Gefühl, dass die Figur der Julia Thiel auserzählt ist und dass das Spannungsverhältnis zwischen Tochter und Mutter redundant würde. Dann reine Ermittlungsgeschichten zu erzählen, erschien mir nicht mehr so reizvoll.

Das Interview führte Thomas Gehringer.

„Lisa Kohr – Mord im alten Land“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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