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ABSAGE AUF ABSAGE: Koalition der Neinsager

„Berliner Runde“: Erst sagt Merkel ab, dann Steinmeier, dann setzt das ZDF die Sendung ab

Vor der Bundestagswahl am 27. September werden sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier in keiner Fernsehdebatte mehr begegnen. Die Kanzlerin hatte bereits für die am heutigen Donnerstag geplante „Berliner Runde“ im ZDF abgesagt. Überraschend hat nun am Mittwoch der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nachgezogen. Er wird weder an der ZDF-Debatte noch an der ARD-Diskussion am kommenden Montag teilnehmen. Das ZDF reagierte auf diesen Rückzieher mit der Absetzung der „Berliner Runde“, an der alle Spitzenkandidaten der im Bundestag vertreteten Parteien teilnehmen sollten. Die ARD wiederum hält vorerst an ihrer Debatte „ Die Favoriten“ fest, obwohl Kanzlerin Angela Merkel nach Aussage von ARD-Chefredakteur Thomas Baumann am Mittwoch ebenfalls abgesagt hat.

Aus Steinmeiers Umgebung verlautete am Mittwoch, er bedauere, dass sich Merkel nach dem TV-Duell keiner weiteren Diskussion stellen wolle. Der Außenminister sehe aber keinen Sinn darin, mit Wulff über die Zukunftsfragen des Landes zu diskutieren. Der Landespolitiker Wulff kandidiere nicht für den Bundestag. Für die SPD sollte Finanzminister Peer Steinbrück in der abgesetzten ZDF-Runde teilnehmen, für die ARD-Debatte ist Umweltminister Sigmar Gabriel aufgerufen.

ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte dem Tagesspiegel, neben dem „TV-Duell“ wäre die „Berliner Runde“ die wichtigste Wahlkampfsendung geworden. „Hier sollten die Spitzenpolitiker die letzten vier Jahre bewerten und ihre Zukunftsvorstellungen präsentieren.“ Dass Merkel und Steinmeier beide abgesagt hätten, „raubt der Sendung ihren Sinn und Zweck. Deswegen verzichten wir. Das tut uns auch für die Zuschauer sehr leid, weil in der ,Berliner Runde’ die wesentliche Frage künftiger Koalitionen behandelt worden wäre“. Auf die Teilnahme von Steinmeier und Merkel fest zu setzen, sei „vielleicht etwas blauäugig gewesen“, sagte Brender. Das ZDF wolle aber versuchen, bis zum 27. September doch eine „Berliner Runde“ hinzukriegen. Die Vertreter der Opposition hätten Verständnis für den Schritt des ZDF und zugleich Empörung über die Absagen der Spitzenleute bei den Sendern gezeigt. Die Union reagiert auf die Absage „mit Unverständnis“.

FDP-Chef Guido Westerwelle erklärte: „Die Spitzenkandidaten der Regierungsparteien verweigern eine demokratische Debatte mit den Vertretern der Opposition. Sie haben Angst vor guten Argumenten und vor dem Urteil der Zuschauer.“ Wer sich in der Demokratie der Diskussion mit der Opposition nicht stelle, müsse vom Wähler für diese Arroganz der Macht die Quittung bekommen, sagte Westerwelle.

Für die Grünen sagte Spitzenkandidat Jürgen Trittin, Merkel und Steinmeier würden sich offenbar nicht trauen, „die verheerende Bilanz von vier Jahren großer Koalition“ gegenüber der Opposition verteidigen zu können. Das ZDF und die anderen am TV-Duell beteiligten Sender sollten jetzt noch einmal darüber nachdenken, ob „die groß angelegte Organisation des Selbstgesprächs am Sonntag wirklich eine gute Idee war“. Zumindest hätten sie Merkel und Steinmeier darauf verpflichten müssen, sich auch der Debatte mit der Opposition zu stellen. Links-Politiker Gregor Gysi kommentierte: „Das ist eine komische Mischung aus Selbstgefälligkeit und Selbstunsicherheit.“ Joachim Huber

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