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Medien: Abschied vom Sondermann

Der Cartoonist Bernd Pfarr ist tot. Von Volker Reiche

Eine karge Szenerie im wilden Westen. Der Chef sitzt, eine Schlinge um den Hals, gefesselt auf den Schultern seines gleichfalls gefesselten Angestellten Sondermann. Werden die Knie des Angestellten schwach, so ist’s aus mit dem Chef, denn die Schlinge ist straff an den Ast eines Baumes geknüpft. Was tun? Der Chef beginnt zu säuseln: „Und erinnern Sie mich nach unserer Rückkehr an ihre längst fällige Beförderung! Ihre Standfestigkeit, ihr Durchhaltevermögen und ihre eiserne Disziplin habe ich schon immer an Ihnen geschätzt! Erst kürzlich sagte ich zu meiner Frau…“

Gibt es Rettung? Bernd Pfarr, Jahrgang 1958, der Schöpfer und Zeichner der beschriebenen Szene, hat sich zwanzig lange Jahre mit Standfestigkeit, Durchhaltevermögen und eiserner Disziplin gegen seine schwere Krankheit gewehrt, der er am Dienstag dieser Woche erlag. Die ihn näher kannten, hätten ihn gern bewundert wegen seines Löwenmutes im Kampf gegen die Hinfälligkeit des Leibes, doch Bernd Pfarr ließ das nicht zu. „Das ist langweilig“, pflegte er zu sagen, „schau dir lieber mal das an!“ – und er führte den Besucher zu einer Zeichnung oder einem Gemälde, das, versehen mit einer seiner meisterhaften Bildunterschriften, kurz darauf seine Leser als Cartoon in der „Titanic“, im „Stern“ oder in anderen Publikationen entzücken sollte. Bernd Pfarr arbeitete bis zum letzten Tag und schuf nicht nur seinen wohl bekanntesten Helden, den aberwitzigen Angestellten Sondermann, sondern ein Werk sondergleichen. Wer einige der Titel der Bücher liest, in denen seine Cartoons und Comics zusammengefasst wurden, ahnt, wie Bernd Pfarr Poesie mit einem genauen und doch liebevollen Blick auf den Irrsinn der Welt verband: Sie heißen „Hundeleben“, „Nächte wie Samt“ oder „Eines Tages war Zeus das Blitzeschleudern leid“.

Apropos Löwenmut – soll die Gazelle Kurt diesen Mut beweisen, wenn sie am Elfmeterpunkt steht und der Löwe im Tor, wie Bernd Pfarr das in einem grandiosen Cartoon zeigte? Bernd Pfarr ließ Kurt zaudern, denn der „hatte schon die gruseligsten Dinge über das Verhältnis zwischen Gazellen und Löwen gehört“. Und er ließ ihn sich fragen, „ob Sultan es wohl mit der gebotenen sportlichen Gesinnung hinnähme, wenn er ihm nun den Elfer reinmachen würde.“ Wir sehen – Bernd Pfarr hatte nicht die geringste Lust, seinen persönlichen Mut zum Maßstab zu machen, seine Sympathie gehörte zeitlebens den Gazellen, und er hätte es Kurt wohl schwer verübelt, wenn er den Elfer nicht meterweit neben das Tor gesetzt hätte.

Volker Reiche erhielt dieses Jahr für seine Serie „Strizz“ den renommiertesten deutschen Comic-Preis, den Erlanger Max-und-Moritz-Preis.

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