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Medien: Als sei nichts gewesen

Klaus Wowereit möchte den missliebigen Künstler Heribert Sasse ins Spar-KZ stecken. So interpretiert jedenfalls Sasse die Lage.

Klaus Wowereit möchte den missliebigen Künstler Heribert Sasse ins Spar-KZ stecken. So interpretiert jedenfalls Sasse die Lage. Beim "B.Z.-Kulturpreis" im Theater des Westens stand am Montag der Chef des Schloßpark-Theaters auf der Bühne und tat, was Deutsche und Österreicher wie Sasse bei mittelgroßen Problemen immer reflexhaft tun, er beschwor 1933. "Dieses Stummsein", es "erinnert mich an eine Zeit, die ich zum Glück nur aus den Geschichtsbüchern kenne. Wehren Sie sich!"

Dazu sollte man wissen, dass schon der CDU-SPD-Senat Sasse die Zuschüsse streichen wollte. Die Kritiker mögen seine Sachen nicht sonderlich, Publikum hat er eher wenig. Eine Stadt in verzweifelter Finanzlage entzieht einem mäßig erfolgreichen Haus die staatliche Förderung - das ist alles, mehr passiert nicht. Niemand hindert Sasse daran, sich ein neues Konzept auszudenken und sein Theater aus eigener Kraft weiterzuführen, ohne den Staat. Aber ehe er den Hintern hochkriegt, schwingt er lieber die Auschwitzkeule.

Beim "B.Z.-Kulturpreis" war alles original West-Berlin 1985, vom Glittervorhang über die Canapees bis zum Saalfeuerwerk. So stilistisch rein sieht man das in Berlin nur noch selten. Eberhard Diepgen, Claus Landowsky, Rolf Eden und Frank Zander schnürten durch die Gänge, als sei nichts gewesen. Nicht zu vergessen: der Juppie von der Ufa-Fabrik. Bei jeder Preisvergabe hielt "B.Z."-Chef Georg Gafron eine kleine Hasstirade auf die Stadtregierung. Von der Stadtregierung war niemand gekommen. Kann man verstehen. Bis auf den Bandleader Andrej Hermlin, den Sohn des Dichters Stephan Hermlin, dürfte sowieso kein Ostmensch im Saal gewesen sein.

Die Preisträger wurden von Gafron dafür gelobt, dass sie bereit waren, sich den Preis verleihen zu lassen - das lässt ahnen, wer alles abgesagt hat. Sie badeten nacheinander im Selbstmitleid. Schauspielerin Anita Kupsch: "Ein Preis für Leistung, im Zeitalter der Luder!" Claus Peymann, in Anspielung auf eine Sparmaßnahme bei der Berliner Polizei: "Ich möchte kein Polizeipferd werden!" Ein alter Fürst bekam seinen Preis stellvertretend für alle 1946 enteigneten Großgrundbesitzer und zum Dank dafür, dass er "in die Walachei zurückgekehrt ist" (Gafron). Gemeint war Brandenburg. Der Walachen-Fürst zog in seiner Dankesrede zum Schrecken aller gegen Helmut Kohl vom Leder. Hoffentlich haben die Springer-Leute dem alten Herrn seine Bärchenstatue am Ausgang nicht wieder abgenommen.

Was immer man von der Stadtregierung und ihren Fehlern halten mag - dass sie die kulturelle Dominanz dieser Kreise gebrochen hat, ist keine schlechte Tat. Warum? Weil sich hier die Kultur des Jammerns und die Kultur des Handaufhaltens versammelt hat.

Man will, dass es bleibt, wie es ist. Aber das möchten sie im entgegengesetzten Milieu, bei der PDS, ja leider auch. Auf den Punkt gebracht hat das Dilemma Michael Blumenthal, Direktor des Jüdischen Museums, ebenfalls Träger des "B.Z.-Kulturpreises": "Wenn ihr so pleite seid in dieser Stadt, dann greift in eure Taschen und macht ein bisschen mehr selbst." Wenn das so einfach wäre.

mrt

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