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Alte Gräben: Im Schutz der Politik

Die von der Regierungskoalition geplante Abgabe von Internetfirmen an Verlage führt zu einer heftigen Kontroverse. Ein Schritt zur Rettung der freien Presse, sagen die einen, andere sprechen von Zwang und einer "Lex Google".

Das bereits im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankerte Leistungsschutzrecht für Zeitungs- und Zeitschriftenverlage gegenüber Internetsuchmaschinen und News-Sammelseiten nimmt Gestalt an. Die Koalitionäre von CDU/CSU und FPD haben am Sonntag eine Reform des Urheberrechts beschlossen. Demnach sollen die Verlage für redaktionelle und technische Angebote von Presseartikeln künftig an den Gewinnen der gewerblichen Internetanbieter beteiligt werden, „die diese mit der bisher unentgeltlichen Nutzung der Verlagserzeugnisse erzielen“.

Die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger reagierten positiv auf die Vereinbarung. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) teilten noch am Sonntag mit: „Im digitalen Zeitalter ist ein solches Recht unverzichtbar, um die gemeinsame Leistung von Journalisten und Verlegern wirksam schützen zu können“. Das Leistungsschutzrecht sei „keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Bedingung für den Erhalt einer freien und staatsunabhängig finanzierten privaten Presse im digitalen Zeitalter“. Der deutsche IT-Lobbyverband Bitkom bezeichnete das Leistungsschutzrecht am Montag hingegen als „sachlich nicht gerechtfertigte Zwangsabgabe zugunsten einer Branche“. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner, kritisierte, dass von dem Recht nur die großen Verlage profitieren würden.

Google hat die Pläne kritisiert. „Ich befürchte, dass so eine Regulierung die Verbreitung des Internets bremsen könnte, weil sie zu zusätzlichen Kosten und Reibungsverlusten führt“, sagte der ehemalige Chef und heutige Verwaltungsratsvorsitzende des US-Konzerns, Eric Schmidt, in Hannover. Er forderte die Medienbranche dazu auf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln – auch gemeinsam mit Google. „Ich würde lieber Möglichkeiten finden, mit den Medien gemeinsam neue Umsatz- und Lizenzströme zu schaffen. Ich denke, das ist möglich.“

Die Abgabe soll über eine Verwertungsgesellschaft eingezogen und an die Medien ausgeschüttet werden. Auch die Autoren und Kreativen sollen beteiligt werden. Wie hoch die geplante Abgabe für die sogenannten News-Schnipsel sein soll, geht aus dem Entwurf nicht hervor. Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet soll unverändert kostenlos sein. Auch für Firmen bleiben Papierausdrucke und das Lesen von Nachrichten am Bildschirm kostenfrei. Die Urheberrechtsreform muss noch den Bundestag passieren.

In einem Bericht zur wirtschaftlichen Lage hatte der BDZV festgehalten, dass der Anzeigenumsatz der Tageszeitungen 2010 um 1,5 Prozent auf 3,64 Milliarden Euro gesunken sei. Google eilt hingegen von einem zum nächsten Umsatz- und Gewinnrekord. 2011 stieg der Umsatz auf umgerechnet 28,7 Milliarden Euro bei einem Gewinn von 7,3 Milliarden Euro.

Zuwendungen für Medienbetriebe sind in anderen Ländern der Europäischen Union keine Seltenheit, sagte der Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper dem Tagesspiegel. Dabei handelt es sich um staatliche Investitionszuschüsse oder Mehrwertsteuervorteile. In der Bundesrepublik sei dies bislang kein Thema gewesen. Eine freie Presse müsse auch wirtschaftlich frei bleiben, um politische Einflussnahmen auszuschließen, lautete die grundsätzliche Haltung.

Eine ähnliche Diskussion wie jetzt beim Leistungsschutzrecht habe es allerdings auch in Deutschland bei der Einführung des privaten Rundfunks gegeben. Seinerzeit befürchteten die Verleger ebenfalls eine Substitution des Anzeigengeschäfts zugunsten des neuen Mediums. Im Gegensatz zum privaten Rundfunk, bei dem sich die Substitutionstheorie nicht bestätigte, findet durch das Internet tatsächlich eine Verlagerung des Anzeigengeschäfts statt. „Das Rubrikengeschäft ist bereits abgewandert und im Moment wird Google im Markt der lokalen Werbung aktiv“, sagte Röper.

Der Internetblogger und „Spiegel“-Medienjournalist Stefan Niggemeier kritisierte die fehlende innere Logik des Vorhabens: Dass Google und andere News-Aggregatoren wie der Medienblog Turi oder die Webseite Perlentaucher.de künftig an die Verlage zahlen müssten, sei so, „als müssten die Gelben Seiten den Unternehmen dafür zahlen, dass sie ihre Informationen aufnehmen dürfen.

Das Blog Netzpolitik.org sieht hinter der Vereinbarung vor allem die Interessen eines Verlages: „Axel Springer kauft Leistungsschutzrecht bei Koalition“, schreibt Blog-Gründer Markus Beckedahl. (mit dpa)

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