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Holger Friedrich, Verleger und Besitzer des Berliner Verlags, hat als IM "Bernstein" für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet.

© dpa

Analyse zur Stasi-Mitarbeit von Verleger Holger Friedrich: „Überwiegend Offenkundiges“ berichtet

Expertenbericht zu IM „Bernstein“ veröffentlicht: Chefredakteure des Berliner Verlags wollen DDR-Geschichte adäquat aufarbeiten

Die Chefredakteure von „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“, Jochen Arntz und Elmar Jehn, haben nach der Veröffentlichung einer Expertenanalyse der früheren Stasi-Kontakte von Verleger Holger Friedrich eine „adäquate Aufarbeitung der DDR-Geschichte“ angekündigt. Dies werde publizistisch und mit Diskussionsveranstaltungen begleitet, hieß es am Mittwoch auf der Website der „Berliner Zeitung“ in „Eigener Sache“. Dort wurde die Analyse der früheren Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, und des Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk veröffentlicht. Sie ist parallel auch auf der Seite der Robert-Havemann-Gesellschaft nachzulesen. Die Stasi-Kontakte von Friedrich alias "IM Bernstein" waren Mitte November bekannt geworden, kurz nachdem Friedrich zusammen mit seiner Frau Silke den Berliner Verlag mit „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ von der DuMont-Mediengruppe übernommen hatte.

Täterakte und Opferakte gesichtet

Laut „Berliner Zeitung“ hat Holger Friedrich den beiden Experten „sowohl seine sogenannte Täterakte als auch die sogenannte Opferakte zur Verfügung“ gestellt. In der mehr als 20-seitigen Einschätzung von Birthler und Kowalczuk heißt im Kapital „Bewertung“, Friedrich habe sich als Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) zur IM-Tätigkeit bereiterklärt, „unter dem Druck, ansonsten strafrechtlich zur Veranwortung gezogen zu werden“. Was er nicht ahnen konnte: Das MfS hatte keine „gerichtsnotorischen Beweismittel“ gegen Friedrich in der Hand. Der anschließende IM-Vorgang belegt, dass Holger Friedrich insbesondere in der „Kontaktierungsphase“ den Eindruck zu vermitteln bemüht gewesen sein, den Anforderungen des MfS an eine inoffizielle Zusammenarbeit gerecht zu werden. Als IM habe Holger Friedrich „überwiegend Offenkundiges“ berichtet, schreiben Birthler und Kowalczuk. In einem Fall führten die Informationen demnach aber zu einer strafrechtlichen Belehrung eines anderen. Die Informationen von Friedrich trugen keinen „politisch-ideologischen Charakter“. Entsprechende Aussagen zu Lasten Dritter finden sich laut Birthler und Kowalczuk nicht in den gesichteten Papieren.

Zum Schluss heißt es: „Neben dem Umstand, wie Holger Friedrich zum IM gepresst wurde, ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, dass es nur wenige Treffen als IM gab, dass diese unter der besonderen Situation in einer Armeeeinheit zustande kamen und dass Holger Friedrich diese Zusammenarbeit, als ein neuer Führungsoffizier für ihn tätig wurde, beendete und dabei sofort betonte, dass er diese nie freiwillig eingegangen wäre.“ Die Zusammenarbeit als IM dauerte von Juni bis August 1988. Es kam zu vier Treffen, von denen insgesamt sechs Berichte überliefert sind. Zuvor kam es zu sieben Treffen in der „Kontaktierungsphase“ von Dezember 1987 bis Mai 1988.

Keine politische oder moralische Bewertung

Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk empfehlen dem Berliner Verlag und den Redaktionen der „Berliner Zeitung“ und des „Berliner Kurier“, die Stasi-Unterlagen über Holger Friedrich so weit wie möglich öffentlich zu machen. In ihrem Brief an die Chefredakteure der „Berliner Zeitung“ und des „Berliner Kurier“, Jochen Arntz und Elmer Jehn, betonten Birthler und Kowalczuk zudem, dass sie in ihrer Analyse zum Fall Holger Friedrich darauf verzichtet haben, „den sich aus den Unterlagen ergebenden Befund politisch oder moralisch zu bewerten“. Wie in anderen Fällen spiele nicht nur die Aktenlage eine Rolle, sondern auch die Grundhaltungen zum Thema DDR-Aufarbeitung.

Nach einer Vorabmeldung der „Zeit“ vom Mittwoch hatte die Staatsicherheit auf Holger Friedrich im Jahr 1987 über mehrere Monate mindestens zehn inoffizielle Mitarbeiter angesetzt, die belastendes Material über ihn sammelten. Das belegen bisher unveröffentlichte Stasi-Unterlagen. Friedrich war damals als NVA-Soldat in der Nähe von Parchim stationiert. Demnach seien Briefe in seinem Spind gefunden worden, die eine „negative Einstellung zur Politik und zum Wehrdienst“ und mögliche Fluchtpläne erkennen ließen. Friedrich wird in der Akte mit den Worten zitiert, er sei „ein Herr über 7 Soldaten und 2000 Schuß Munition“. Daraus deutete die Stasi Anschlagspläne. Friedrich erklärt heute dazu, solche Pläne habe es nie gegeben. Dennoch sei er im November 1987 verhaftet, mehrere Tage lang verhört und mit einer Gefängnisstrafe bedroht worden. Daraufhin habe er eingewilligt, als IM „Bernstein“ Informationen über Mitsoldaten zu liefern.

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