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Per Satellit ist Julian Assange am Dienstag zur Medienwoche zugeschaltet worden. Journalistin Melinda Crane (oben links) interviewte den Wikileaks-Gründer. Foto: Reuters

© REUTERS

Medien: Angriff aus dem Arrest

Wie Julian Assange sich und Wikileaks bei der Berliner Medienwoche verteidigt

Heimelig sieht Julian Assanges Goldener Käfig aus. Auf dem Kaminsims sind Weintrauben drapiert, in der Ecke stehen ein Korb mit Brennholz und ein Strauß gelber Lilien. Davor sitzt der Wikileaks-Gründer und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Es gibt nichts, was wir hätten anders machen können“, sagt Assange.

Der Wikileaks-Gründer verteidigte am Dienstag beim Berliner Kongress medienwoche@ifa seine Enthüllungsplattform. Seit neun Monaten steht er wegen des Vorwurfs sexueller Nötigung unter Hausarrest und darf das Landhaus eines Freundes in England nicht verlassen. Zum Kongress konnte er deshalb nur per Satellit zugeschaltet werden. In einem Video-Interview mit Journalistin Melinda Crane wies Assange jegliche Verantwortung für das Datenleck bei Wikileaks zurück, das vergangene Woche publik wurde.

„Wir haben niemals etwas Falsches veröffentlicht. Keine unserer Quellen ist bisher aufgrund unserer Handlungen enttarnt worden“, sagte Assange. Rund 250 000 US-Botschaftdepeschen, die Whistleblower Wikileaks hatten zukommen lassen, waren unverschlüsselt ins Netz gestellt worden. Dadurch wurden auch die Namen von Informanten öffentlich, die nun in Ländern wie China, Kambodscha, Afghanistan um ihre Sicherheit und Freiheit fürchten müssen. Für diese in den Dokumenten genannten Informanten gebe es „keine größeren Gefährdungen – außer vielleicht hier und da. Aber das ist eher unwahrscheinlich“, sagte Assange.

Crane sprach ihn konkret auf den Fall eines Kambodschaners an, der offenbar mit den US-Diplomaten zusammengearbeitet hatte und nach der Veröffentlichung seines Namens gefährdet sein könnte. Doch Assange ging auf diesen Fall nicht ein, sondern blieb vage. Die Quellen hätten genug Zeit gehabt, sich auf eine mögliche Aufdeckung vorzubereiten.

Im Herbst 2010 hatte Wikileaks mit Medienpartnern wie der britischen Zeitung „Guardian“ und dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ die Depeschen veröffentlicht, damals waren die Namen der Informanten geschwärzt worden.

Wikileaks habe zuvor mit dem US-Außenministerium über eine mögliche Veröffentlichung der Namen gesprochen, „aber sie waren an dem Thema nicht besonders interessiert“, sagte Assange. Crane hakte nach: Habe nicht auch er als Wikileaks-Chef die Informanten warnen müssen? „Das waren nicht unsere Quellen“, antwortete Assange lapidar.

Statt sich zu verteidigen, griff Assange den „Guardian“ an. Dessen Journalist Jason Leigh habe das Passwort in seinem im Februar veröffentlichten Buch aufgeschrieben – obwohl Assange ihn angewiesen habe, dies niemals zu tun. „Ohne diese Veröffentlichung wären die Dokumente nicht unverschlüsselt publiziert worden“, sagte Assange. Der „Guardian“ und Leigh verweisen jedoch darauf, davon ausgegangen zu sein, dass Assange ihnen nur ein temporäres Passwort gegeben habe.

Assange griff auch Ex-Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheit-Berg an – allerdings ohne dessen Namen zu nennen. Ein „Individuum in Berlin“ habe ausgewählten Journalisten „aus Eitelkeit“ und aus „Eigennutz“ gezeigt, an welchem Ort die Datei mit den Dokumenten liege.

Die Wochenzeitung „Der Freitag“ gehört zu den Medienpartnern von Domscheit-Bergs neuem Projekt OpenLeaks und hatte in der vergangenen Woche über die freie Verfügbarkeit der Botschaftsdepeschen in ihren Originaltexten berichtet. In der Nacht zu Freitag hatte Wikileaks dann selbst die unverschlüsselten Dateien ins Netz gestellt.

Assange bekräftigte, dass Wikileaks auch weiterhin als Enthüllungsplattform arbeiten werde. Potenziell sei jede diplomatische Geheimverhandlung ungerecht. Das gelte es aufzudecken. „Wenn diese Verhandlungen stattfinden, muss es für die Beteiligten immer das Risiko geben, dass ihre Pläne von einem Whistleblower ans Licht gebracht werden könnten“, sagte Assange. Trotz der Datenpanne gehe er davon aus, dass Wikileaks weiter geheime Informationen zugespielt würden. Die Plattform schütze ihre Informanten. Auch künftig wolle Wikileaks mit Medienpartnern zusammenarbeiten, denn dadurch könnten die Dokumente einer möglichst großen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zwar schloss „Spiegel“-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron eine weitere Zusammenarbeit mit der Enthüllungsplattform nicht aus, kritisierte bei einer anschließenden Diskussion jedoch scharf, dass Wikileaks die US-Depeschen ungeschwärzt ins Netz gestellt habe. Darüber sei man beim „Spiegel“ „verwirrt und erschüttert.“ Das Vorgehen von Assange, den Blumencron als „unberechenbar“ bezeichnete, entspreche nicht dem Selbstverständnis des „Spiegel“.

Doch da war die Leitung in Assanges Kaminzimmer schon abgeschaltet.

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