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Anne Will und ihre Gäste am Abend der Hamburg-Wahl

© dpa/Wolfgang Borrs/NDR

„Anne Will“ zu Hamburg und Thüringen: „Das ist nur noch bockig“

Bei Anne Will streiten die Gäste am Abend der Hamburg-Wahl vor allem um die politische Mitte. Und immer wieder geht es um die Renitenz der CDU.

Von Caroline Fetscher

Über Anne Wills Gästen schwebte, bebte, flimmerte wieder und wieder die Frage: Wann wird sie sich bewegen, die CDU? Gerade war sie bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen auf ein Tief gesackt. In Thüringen beging sie den Sündenfall der Kooperation mit der AfD, den beliebten Bodo Ramelow will sie im Landtag nicht mitwählen. Und nun 11 Prozent in Hamburg.

Die Christdemokratie steckt in der Sackgasse. Robert Habeck, der die „irrlichternde Form“ der Partei bedauerte, brachte es auf den Punkt. Bei ihrer Abgrenzung gegen die Linke in Thüringen argumentiere die CDU „aus einer statischen Mitte heraus“, ohne „die Dynamik“ der Gegenwart zu erkennen.

„Das ist Ideologie“, „das ist nur noch bockig“ hielt der Grünen-Vorsitzende Norbert Röttgen entgegen. Der CDU-Außenpolitiker, der seinen Hut in den Ring der Partei geworfen hat und ihr Vorsitzender werden will, geriet zeitweise in Erklärungsnot. Mahnend bemerkte auch Susanne Hennig-Wellsow, Thüringens Linken-Chefin, die CDU habe sich für das Thüringer Debakel „aktiv entschieden“, nun müsse sie auch helfen, die Lage „aktiv zu heilen“.

Röttgen, der Eloquente, holte einmal aus: Die Linke müsse sich von den radikalen Antifaschisten distanzieren, forderte er, von Russlands Präsident Putin, von dessen Eingreifen in Syrien!

Schelte für die CDU

Wills Thema am Sonntagabend war weit gefasst: „Wahlen in gefährdeten Zeiten – wie fest steht die Mitte?“ Dass sie ganz fest steht in der Hansestadt an Elbe und Alster, soviel war nach den ersten Hochrechnungen klar.

Doch nicht alle bürgerlichen Mitte-Menschen waren gleich vergnügt und so entspannt wie Habeck, dessen Partei ihr Ergebnis in Hamburg verdoppelt hat. Thema des Sonntagabend im Studio von Anne Will war eine Kontextsuche: Wie hängt das zusammen, Wahlen, das Thüringer Debakel, die Zunahme von rechtem Terror und Rassismus und die Frage nach Befindlichkeiten von Minderheiten.

[Alle Entwicklungen nach der Hamburg-Wahl finden Sie im Liveblog an dieser Stelle]

Für die in Hamburg siegreiche SPD saß Ministerin Franziska Giffey in der bunten Runde aus Rot, Grün und Schwarz, als Kommentator jenseits der Parteien Yassin Musharbash von der „Zeit“. Verzichtet worden war auf die Wahlverlierer des Abends, Gelb und Blau, FDP und AfD.

Auch Musharbash, Arabist, Politologe, und Experte für islamistischen Extremismus, bekümmerte die Abstinenz und Renitenz der CDU in Thüringen. Er zeigte Verständnis für deren Wunsch, den Raum der Mitte zu besetzen, doch jetzt gehe es „um Prioritäten“. Wenn der Dachstuhl brennt, sei nicht der Zeitpunkt, um Schimmel hinter dem Sofa zu suchen. Applaus.

Versäumnisse im Kampf gegen rechte Gewalt

Der brennende Dachstuhl gab Anne Will das Stichwort für den Einspieler zur rechten Gewalt, früher und heute, brennende Asylheime, Tote auf den Straßen in Halle und Hanau: Rassismus, Antisemitismus, was tun? Staunend blickte Yassin Musharbash auf die eingespielte Szene, worin Innenminister Seehofer unlängst den Rechtsradikalismus als das größte Problem bezeichnete.

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Musharbash habe dreimal geprüft, ob das Zitat auch wahr sei. Es ist wahr, und hier, immerhin, scheint sich die CDU zu bewegen. Dennoch, der Verfassungsschutz beziffert die Anzahl der islamistischen Gefährder mit 700, die der rechtsradikalen Gefährder mit knapp 60, zu wenige, so Musharbash, würden gemeldet. Das sei vielleicht kein politischer Wille, sondern schlicht Versäumnis.

Franziska Giffey beteuerte, die Koalition werde mehr für demokratische Bildung und Präventionsprojekte unternehmen. Vor allem gehe es darum, dass Projekte verstetigt werden, nicht von einer Legislaturperiode zur nächsten jeweils bangen müssten, ob sie verlängert werden.

Röttgen gibt schon mal den Kanzler

Für Röttgen ist jetzt jeder öffentliche Auftritt auch Teil seiner Bewerbungstournee, er muss ebenso als Ich-AG ebenso agieren, wie als staatsmännisch verantwortlicher Kandidat. Von Giffeys Projektplänen war er angetan, wie ein Kanzler fragte er gleich nach den Unterlagen. Und er brachte einen der wichtigsten Hinweise des Abends: Deradikalisierung müsse mit der Sprache beginnen. „Es ist die Sprache, die das Klima verändert!“ Eingedämmt werden müsse die menschenverachtende und verrohte Sprache, die mehr und mehr um sich greift.

Komplementär dazu forderte Robert Habeck gegen Ende mehr Realpolitik: „Von der Sicherheitsebene erwarte ich die gleiche Härte wie gegen die RAF“, denselben Fahndungsdruck gegen rechts. Ja, so auch Röttgen, „viel systematischer und flächendeckender“ müsse die Strategie sein. 

Hennig-Wellsow drängte: „Wir müssen nicht nur von Demokratie, reden, wir müssen demokratisch sein.“ Da waren sie sich einig. Überhaupt war sie sich in vielem einig, die lebhafte Rederunde der Mitte. Die Politik scheint aufzuwachen.

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