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Anne Will.

© dpa/Jörg Carstensen

"Anne Will" zu islamistischem Terror: Akademische Diskussionsrunde mit guten Argumenten

Bei "Anne Will" in der ARD entwickelt sich eine interessante Diskussion zum islamistischen Terror ohne populistische Querschüsse. In einem 15-minütigen Beitrag wird IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi porträtiert. Mit der Diskussion hat der Einspieler leider nicht viel zu tun.

In der Technik gibt es Hybride. Gekreuztes oder Gemischtes. In der Molekularbiologie, in Computersystemen, überall Hybride. Und jetzt auch im Fernsehen. Bei der letzten "Günther Jauch"-Sendung wurde nach einem kurzen Talk-Häppchen zu einem "Tagesthemen extra" geschaltet. Im "Jauch"-Talk ging es um die Ukraine. In "Tagesthemen extra" um die Wahl in Hamburg. "Anne Will" hat sich jetzt auch mit der Hybrid-Form angefreundet. Leider. Thema der Sendung: "Barbarei als Strategie – sind wir dem islamistischen Terror hilflos ausgeliefert?"

Am Anfang der Sendung gibt es einen Beitrag über Abu Bakr al-Baghdadi, den Anführer der Terrormiliz "Islamischer Staat". Kurze Plauderei mit Georg Mascolo, Beitragsmacher und Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Dann der Beitrag. 15 Minuten und drei Sekunden. Ein Porträt von al-Baghdadi. Bevor er zum meist gesuchten Terroristen der Welt wurde. Immerhin erfährt man so besondere Infos, wie den Titel seiner Doktorarbeit: „Die einzigartigen Perlen bei der Erläuterung des Schatbi-Gedichts.“ Und trotz der Note "sehr gut" hat die Arbeit viele Rechtschreibfehler und kaum Satzzeichen. Der Beitrag ist gut. Aber warum läuft er unter dem Label "Weltspiegel extra"?

Kann der islamistische Terror besiegt werden?

Und noch ärgerlicher. Der Beitrag hat nicht viel mit der nachfolgenden Diskussion zu tun. Da geht’s darum, ob und wie der islamistische Terror besiegt werden kann. Und was der Westen dazu leisten kann. Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik" erkennt große Unterschiede der beiden Terrorgruppen Al Qaida und IS. Al Qaida sei "Terror Incorporated", flapsig gesagt „ein Starbucks des Terrorismus“. Eine Zentrale mit vielen, flexiblen Franchise-Unternehmen. Al-Baghdadi will dagegen mit dem IS auch wirklich über ein eigenes Staatsgebiet verfügen.

Mascolo fürchtet, dass die arabische Welt in einem Bruderkrieg versinkt. Natürlich gäbe es auch Anschläge in Europa. Aber mehr Muslime, bis zu 6000 in einem Monat, würden in muslimischen Ländern getötet. Für den Historiker Michael Wolffsohn sind Syrien, der Irak und andere arabische und afrikanische Staaten künstliche Produkte. Ohne Berücksichtigung der verschiedenen Bevölkerungs- und Religionsgruppen wären früher willkürlich Grenzen gezogen worden. Vorteil für die Kolonialmächte. Nachteil für die Stabilität der einzelnen Staatsgebilde.

Keine populistischen Querschüsse

Ob und wie der IS gestoppt werden kann, darüber besteht zwischen den Gästen im Großen und Ganzen Einigkeit. Mascolo hat die Hoffnung, dass der IS den Kern der Zerstörung schon in sich selbst trägt. Die immer stärker werdende Grausamkeit würde auch indifferente Muslime dazu bringen, den IS abzulehnen. Sylke Tempel sieht dazu noch die Notwendigkeit, dass es in der arabischen Welt Verbündete gibt, die den IS politisch, religiös und militärisch bekämpfen. Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linkspartei lehnt jedes militärische Eingreifen ab. Er will eher die vielfältigen Hilfsleistungen an den IS beenden. Die Türkei, die IS-Kämpfer in eigenen Krankenhäusern behandelt. Saudi-Arabien und Katar, das den IS mit Geld unterstützt. Leichter gesagt als getan. Die Türkei ist ein souveräner Staat. Und das Geld kommt meistens von Privatpersonen. Fazit: akademische Diskussionsrunde mit guten Argumenten. Keine populistischen Querschüsse. Nur der Beitrag wäre außerhalb der Sendung viel besser platziert gewesen. 

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