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Merkel

© ARD

ARD: Kanzlerin, knallhart

Die ARD sendet am Abend ein Porträt von Angela Merkel - und verschafft dem Zuschauer Einblicke ins politische Handwerk der Kanzlerin.

Von Robert Birnbaum

„Knallhart!“ sagt Renate Künast und verzieht die Mundwinkel verächtlich nach unten. Die Grünen-Fraktionschefin ist so etwas wie der Running Gag in Stephan Lambys und Michael Rutz’ Fernsehporträt der ersten deutschen Bundeskanzlerin; jedes Mal, wenn Künast darin zu Wort kommt, bringt sie ein „knallhart“ plus zugehöriges Mienenspiel unter. Das Adjektiv passt ja gut zu Titel und Thema. „Merkels Macht – Auf den Spuren der Kanzlerin“ heißt der Film, den die ARD heute ausstrahlt. Sehenswert ist er aus zwei Gründen. Erstens, weil die Autoren bei ihrer Spurensuche ziemlich weit gekommen sind. Zweitens, weil sie ganz nebenbei etwas über die Grenzen ihres Mediums erzählen.

Die verächtlichen Mundwinkel der Renate Künast gehören schon in dieses zweite Kapitel. Politiker, vor eine Kamera gestellt, verhalten sich nun mal wie Schauspieler auf der Bühne: Sie spielen ihre Rolle, auch und gerade dann, wenn sie scheinbar sehr persönliche Urteile abgeben. Wer ihre Sätze und ihre Gestik zum Nennwert nimmt, ist schon auf der falschen Spur. Künasts, Merkels oder George W. Bushs Aufrichtigkeit enden dort, wo sie ihrem Interesse als Politiker zuwiderliefe. Dieses Verhalten zu kritisieren, wäre albern und naiv. Man muss es als Autor wie als Zuschauer aber kennen. Zumal dann, wenn ein Film mit wenigen Ausnahmen Politiker zu Zeugen anruft.

Lamby und Rutz wissen es meistens und machen aus dem offiziösen Charakter ihres Materials umständehalber das Beste – nämlich einen Teil ihrer Geschichte. Sie sagen darum, wo sie drehen durften (beim Staatsempfang) und wo nicht (auf Reisen im Flugzeug). Sie täuschen keine Schlüssellochperspektive vor, sondern stellen klar, dass die entspannte Plauderei der Kanzlerin mit den Großen der Welt auf der Sonnenterrasse des Heiligendammer G-8-Gipfels ein geplanter Event ist. Sie denken zugleich politisch genug, um zu wissen, dass die Szene nicht bloß billiges Theater ist, sondern einen sehr kontrollierten, sehr begrenzten, aber eben doch Einblick ins politische Handwerk gewährt.

Der Film hält zu seiner Hauptperson kritische Distanz, ohne in flache Vorurteile oder vermeintlich tiefschürfende Deutungen zu verfallen. Mit eigenen Kommentaren gehen die Autoren sparsam um. Sie lassen meist ihre Zeugen sprechen und dem Zuschauer die Wahl, was er einleuchtender findet: Die Klage von SPD-Fraktionschef Peter Struck, dass er sich „manchmal ein klareres Wort wünsche“, vor allem gegen „Amokläufe“ des Innenministers oder die rhetorische Frage eben dieses Wolfgang Schäuble, warum sich eine Kanzlerin vor der Zeit festlegen sollte, oder Merkels eigene Auskunft, sie lasse in strittigen Diskussionen „den Selbstbestimmungskräften durchaus Raum“.

Merkel kommt ohnehin häufig zu Wort: Als gute, manchmal charmante Selbsterklärerin ebenso wie bei der verräterisch bemühten Verteidigung gegen den SPD-Vorwurf des „Wortbruchs“ im Streit um den Mindestlohn, aber auch als Moderatorin an der Spitze einer nicht ganz einfachen Regierung.

Das ist übrigens der einzige echte Schwachpunkt des Films: So viel alle Befragten über Merkel und ihren Stil reden, so beiläufig unerwähnt bleiben die speziellen Umstände einer großen Koalition. Dabei prägt dieses Bündnis, in dem nach einer kurzen Phase des versuchten Vertrauens der verdeckte Wahlkampf zum Dauerzustand wurde, diese Kanzlerschaft mehr als alles andere. An diesem Punkt wird das Medium dann eben zuletzt doch wieder Opfer seiner eigenen Gesetze. Den Exotenprunk des Staatsbesuchs im fernen Indien kann die Kamera abbilden. Von den Schlachten des politischen Alltags mit ihren Siegen und Niederlagen fehlen meist die Bilder. Innerhalb dieser Grenzen aber leistet der Film, was möglich ist: Er gibt eine Ahnung davon, wie Angela Merkel regiert – im Guten wie im Schlechten und notfalls „knallhart“.

„Merkels Macht – Auf den Spuren der Kanzlerin“, ARD, 21 Uhr 45

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