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ARD-Reporterin bleibt trotzdem: Nichts und niemand mehr sicher

"Reporter ohne Grenzen": In der Ukraine werden viele Journalisten verschleppt. Kiew will russische Journalisten ausweisen.

Der bewaffnete Konflikt im Süden und Osten der Ukraine wird für Journalisten zunehmend lebensgefährlich. Allein in der Separatisten-Hochburg Slowjansk sind seit Anfang April 30 Reporter von Separatisten festgehalten worden – vier sollen sich immer noch in deren Gewalt befinden. Diese Zahlen präsentierte „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) am Mittwoch in Berlin. Oksana Romaniuk, ROG-Korrespondentin in der Ukraine, berichtete etwa von zehn ausländischen Journalisten, die Ende vergangener Woche unweit von Slowjansk von bewaffneten Kämpfern verschleppt wurden. Dort sollen sie mit verbundenen Augen stundenlang verhört und erst danach wieder freigelassen worden sein. „Ich habe 25 kugelsichere Westen in meinem Büro in Kiew liegen, die ich auf Anfrage an Reporter verleihe,“ berichtete Romaniuk.

Besondere Sorgen machen sich die ROG-Mitarbeiter um den Blogger Artem Deynega, der am 12. April den Sturm separatistischer Angreifer auf das Polizeihauptquartier in Slawjansk live ins Internet gestreamt hatte. Am nächsten Tag wurde er entführt und bleibt seither verschwunden. Wie verworren die Lage in der Ostukraine mit den Kämpfern um Wjatscheslaw Ponomarjow ist, zeigt jedoch der Fall einer Mitarbeiterin der „Komsomoljskaja Prawda“. Die Journalistin der kremltreuen Publikation wurde von Ponomarjows Männern zwei Tage lang verschleppt. Dies nährt den in den vergangenen Tagen von vielen Experten geäußerten Verdacht, der selbst ernannte „Volksbürgermeister“ sei auch von Moskau nicht zu bändigen. Ukrainische Journalisten haben sich wegen ihrer Lage unlängst in einem offenen Brief an Übergangspräsident Turtschynow gewandt und mehr Schutz durch lokale Behörden gefordert.

Aus der Verschärfung der Sicherheitslage hat nun auch das Auswärtige Amt Konsequenzen gezogen und rät zur Ausreise aus den gefährdeten Gebieten der Ukraine. „Angesichts der jüngsten Entwicklungen muss davon ausgegangen werden, dass Medienvertreter besondere Gefahr laufen, von separatistischen Kräften festgehalten oder festgenommen zu werden“, heißt es auf der Internetseite der Behörde. Die Reporter deutscher öffentlich-rechtlicher Sender werden trotzdem vor Ort bleiben. „Die ARD hält zunächst an den Berichtsstandorten in Kiew und Donezk fest. Wir stehen in enger Abstimmung mit dem Team vor Ort und den Kollegen vom ZDF. Eine Strategie zum schnellen Abzug unserer Mitarbeiter wird vorbereitet. Wir beurteilen die Situation täglich neu und werden bei einer Verschlechterung umgehend reagieren“, sagte WDR-Auslandschef Michael Strempel dem Tagesspiegel.

Doch nicht nur die Separatisten im Süden und Osten der Ukraine, auch die neue Regierung in Kiew bedroht die freie Berichterstattung. Zwei russische Journalisten waren Ende April in Donezk verhaftet und vom ukrainischen Geheimdienst an die russische Grenze gebracht worden. Auch wurden vier regierungsnahe russische Fernsehsender abgeschaltet. „Ich war immer dagegen, wenn einem Medium der Saft abgedreht wird. Aber im Fall der hetzerischen russischen TV-Propaganda ging es irgendwann auch um Menschenleben“, erklärte Romaiuk. Als Beispiel nannte sie Dmitri Kisseljow, der die Ukraine seit Wochen mit einer Schmutzkampagne überziehe und die neue Regierung als faschistisch diffamiere. Kisseljow steht als einziger Journalist auf der Sanktionsliste von EU und USA und bezeichnet die Maidan-Revolution zu bester Sendezeit schon mal als „politisches Tschernobyl“. Der Chef der Präsidialadministration der ukrainischen Interimsregierung erklärte, dass die Ausweisung aller russischer TV-Journalisten erwogen werde.

Auf der anderen Seite haben die Kämpfer vor allem im Osten der Ukraine in mehreren Großstädten die Ausstrahlung ukrainischer Programme unterbunden, sie wollen demnächst russische Staatssender ausstrahlen.Nik Afanasjew

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