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Im Mai im Kino, im Herbst im TV. Der „Ehrenmord“ an Hatun Sürücü (Almila Bagriacik) in „Nur eine Frau“.

© Foto: Mathias Bothor/Vincent TV

ARD stellt "Top of the Docs" vor: Dokus in die Prime Time

Zur Berlinale präsentiert die ARD traditionell ihre Doku-Highlights. Im Vorfeld hatte es diesmal Kritik am Umgang des Senders mit Dokumentarfilmen gegeben.

Die Kritik der AG Dok hat gesessen. In einer Studie hatte die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm zusammen mit dem Grimme-Institut wenige Tage vor der traditionellen ARD-Berlinale-Veranstaltung „Top of the Docs“ medienwirksam kritisiert, dass Dokumentarfilme mit politisch und gesellschaftlich relevanten Themen vor allem im Spätprogramm zu finden seien.

„Die Programmplatzierung spiegelt die gesellschaftspolitische Relevanz der Filme nicht wider: Mehr als zwei Drittel der Filme sind auf einem späten bis sehr späten Sendeplatz programmiert. Beinahe jeder sechste Dokumentarfilm wird nach ein Uhr nachts ausgestrahlt“, hatte Studienautor Fritz Wolf konstatiert. Diese Kritik wollten die ARD-Granden bei der Vorstellung der Dokumentar-Highlights 2019 nicht auf sich sitzen lassen.

Einen Kritiker hatte die ARD sogar selbst eingeladen. Dok-Filmer Arne Birkenstock forderte die ARD im Umgang mit ihren Dokumentarfilmen zu mehr Selbstbewusstsein auf. Deutsche Dokumentarfilme seien regelmäßig bei Nominierungen und Preisverleihungen vom Filmpreis bis zu den Oscars dabei, würden aber im Programm versteckt und nicht ausreichend beworben. Sein Appell: Tue Gutes und rede darüber. Es gehe weniger um die Quote als die Marke, wie Netflix mit ihrer Marketingpower zeige.

Bewegend: Der Sürücü-Film "Nur eine Frau"

Zu den herausragenden Produktionen dieses Jahres wird sicherlich „Nur eine Frau“ zählen, die filmische Erinnerung an den „Ehrenmord“ an der 23-jährigen Hatun Sürücü im Jahr 2005 in Berlin. Im Film von Autor Florian Oeller und Regisseurin Sherry Hormann wird der leidenschaftliche Kampf der jungen Deutsch-Kurdin gegen althergebrachte Rollenbilder auf mitreißend emotionale Weise erzählt. Den Einwand, dass mit der Darstellung der archaischen Einstellungen mancher islamischer Familien deren Gefühle verletzt werden könnten oder bestimmte politische Gruppierungen Argumente für ihre Ressentiments geliefert bekämen, könnten kein Grund sein, diese Geschichte nicht zu erzählen, erklärten Regisseurin und Darstellerin.

Einige der Doku-Highlights 2019 haben mit großen Jubiläen zu tun: Zum 30. Mal jährt sich der Fall der Mauer, der ohne den damaligen Staatschef der Sowjetunion nicht möglich gewesen wäre. „Gorbatschow. Eine Begegnung“ heißt ein Film von Werner Herzog, der den Politiker dreimal für Interviews getroffen hat. Zugleich thematisiert der Sender die Emanzipation im Osten und in „Inside Treuhand“ die Privatisierung der DDR-Industrie unter Birgit Breuel. Tief in den ostdeutschen Geheimdienst blickt die zweiteilige Doku „Inside HVA“.

Weitere Jahrestage geben die „Operation Mondlandung – hier wird die Rolle von Ex-Nazis im Dienste der Nasa beleuchtet – und das Open-Air-Festival Woodstock vor. Beides fand 1969 statt. Zudem geht die ARD auf den Prozess nach der Loveparade-Katastrophe, Waffengeschäfte mit Unterstützung des BND und „Ashcan – Das geheime Gefängnis“ der NS-Verbrecher ein.

Die Suche nach dem richtigen Sendeplatz

Nicht alle diese Produktionen werden einen Sendeplatz in der Prime Time bekommen. Das ist für ARD-Programmchef Volker Herres allerdings kein Manko. Oftmals könne es für Dokumentarfilme sinnvoller sein, um 21 Uhr oder um 21 Uhr 45 gezeigt zu werden, um nicht mit einem Spielfilm konkurrieren zu müssen. Das Publikum sei um diese Zeit zudem nahezu gleich groß.

RBB-Intendantin Patricia Schlesinger fordert die ARD unterdessen auf, im Wettbewerb mit den globalen Plattformgiganten das Tempo der Veränderungen zu erhöhen. Die Zuschauer verlören die Geduld, „wenn wir ihnen mit Lizenzrechten oder komplizierten Gesetzmäßigkeiten zu erklären versuchen, dass sie so interessante und hochgelobte Dokumentationen wie ,Kulenkampffs Schuhe‘ nach sieben Tagen nicht mehr in der Mediathek finden“, sprach sie sich für bessere Rahmenbedingungen aus. Kurt Sagatz

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