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In „Die Verdammten“ gestaltete Luchino Visconti die Rolle Helmut Bergers nach Arndt von Bohlen. Im Dokudrama lässt der Krupp-Erbe sich von seinem Geliebten (Arne Gottschling) aus der Klatschpresse vorlesen. 

© arte

Arte-Doku über Arntd von Bohlen und Halbach: Rinderbrühe mit Wodka, danach Enterprise

Schwuler Playboy und Paradiesvogel: Eine Arte-Dokumentation zum Leben von Arndt von Bohlen und Halbach.

Er verstehe Menschen nicht, „die sich zum Sklaven des Geldes machen“. Dafür sei es nicht wichtig genug. Arbeiten? „Das hat mir gerade noch gefehlt“. Mit zynischen Äußerungen ließ der exzentrische Partylöwe regelmäßig Silvesterraketen über den Klatschspalten aufsteigen. Für die Boulevardpresse war er ein dekadenter Schnösel, dem die Nöte einfacher Menschen egal schienen.

Dabei war Arndt von Bohlen und Halbach zunächst ein anderes Leben vorbestimmt. Bis zum 28. Lebensjahr trat der 1938 geborene Stahlbaron als künftiger Erbe des Krupp-Imperiums in Erscheinung. Als größter Arbeitgeber Deutschlands hätte er die Verantwortung für 100 000 Arbeitsplätze gehabt. Doch Krupp senior kamen Zweifel an der Tauglichkeit seines verweichlichten Zöglings. Im Zuge der Rezession in den 60ern musste das Familienunternehmen in eine Stiftung übergehen.

Deren Chef, Berthold Beitz – der für den jungen Arndt von Bohlen Vater Nummer zwei war und deshalb „V2“ genannt wurde, nach Hitlers „Vergeltungswaffe“ – überredete den Junior dazu, aufs Erbe, drei Milliarden Mark, zu verzichten.

Ausgestattet mit einer Apanage von zwei Millionen Mark jährlich, führte der „reichste Frührentner Deutschlands“ ein Jetset-Leben zwischen Sylt und Marrakesch. Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards lästerte über ihn in seiner Biografie. In „Die Verdammten“, dem Abgesang auf die Krupps, gestaltete Luchino Visconti die Rolle Helmut Bergers nach Arndt von Bohlen.

„Hart wie Kruppstahl?“ So war der offen homosexuell auftretende Bonvivant nicht. Ob er „weich wie Watte“ war, lässt sich kaum beurteilen. Von Bohlen ist auf wenigen Aufnahmen verewigt. Aus der Not macht Dokufilmer André Schäfer eine Tugend: Im Rückgriff auf Originalzitate lässt er den Bühnendarsteller Arndt Klawitter in die Rolle des mondänen Exzentrikers schlüpfen, der sich am Schminktisch Klatschstorys über sich vorlesen lässt.

Schlösser, Yachten sowie zahllose Bedienstete

Schäfer lässt nachinszenierte Szenen wie authentisches Archivmaterial aus den 70er Jahren aussehen. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Fiktion und Realität. Der Film erkundet den Alltag eines Müßiggängers, der bis mittags schläft, Rinderbrühe mit Wodka frühstückt und dann „Raumschiff Enterprise“ schaut.

Im Wechsel kommt der Nachlassverwalter Holger Lippert zu Wort. Mit der Akribie eines Finanzbeamten dröselt der Jetset-Buchhalter die Freigiebigkeit von Bohlens auf, der Schlösser, Yachten sowie zahllose Bedienstete unterhielt.

Dem Regisseur gelingt eine eigene Mischung aus Industriehistorie, Sittenbild und Gesellschaftspanorama der 70er Jahre („Herr von Bohlen privat“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15). Von Bohlen erscheint wie ein Gegenentwurf zum Zeitgeist der späten Wirtschaftswunder-Ära. Ein Funken schlagender Blick auf ein verpfuschtes Leben, das auf melancholische Weise schillert.

Manfred Riepe

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