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Michelle ist Model. Blicke erntet Sie aber vor allem aufgrund ihrer Größe.

© Arte

Arte-Doku über große Frauen: Hoch hinaus

Spielen Sie Basketball? Und: Wie ist die Luft denn da oben? Dinge, die man groß gewachsene Frauen nicht unbedingt fragen sollte. "Tall Girls" porträtiert einige von ihnen.

„Wie ist die Luft da oben?“: Soll lustig sein, kommt aber nicht gut an. Ebenso wenig wie die Feststellung „Du bist aber groß“ oder die Frage, ob man Basketball spiele. Auch die Erkundigung nach der genauen Größe ist unhöflich. Eins aber ist ausdrücklich erlaubt: Über die Frage, ob sie ein Model sei, freut sich vermutlich jede Frau.

Die Filmemacherin ist selbst 1, 86 Meter groß

Man kann eine ganze Menge lernen aus „Tall Girls“; auch und gerade als Mensch, der weder eine Frau noch über 1,80 Meter groß ist. Dass sich Autorin Edda Baumann-von Broen völlig vorbehaltlos auf ihre Protagonistinnen eingelassen hat, sollte für einen Dokumentarfilm selbstverständlich sein, hat in diesem Fall aber einen speziellen Grund: Sie misst selbst 1,86 Meter. Also hat sich die Filmemacherin, die im Brotberuf die Arte-Reihe „Durch die Nacht mit ...“ produziert, mit einer Vielzahl groß gewachsener Frauen darüber unterhalten, wie sie denn ist – die Luft da oben. Man merkt dem Film an, dass die Autorin ihren Gesprächspartnerinnen buchstäblich auf Augenhöhe begegnen konnte, so dass es eine fruchtbare, gemeinsame Basis gab; schließlich haben große Frauen zumindest in der westlichen Welt die gleichen Probleme.

Die Auswahl der Protagonistinnen ist bunt und hat Baumann-von Broen nach Österreich, Holland und in die USA geführt. Besonders interessant ist die amerikanische Autorin Arianne Cohen („Tall Book“), die keinen Zweifel daran lässt, wie gut sie sich mit ihren 1,90 Meter fühlt. Spätestens beim Kleiderkauf hilft aber auch beste Laune nicht weiter. Ein besonderes Augenmerk widmet die Autorin zudem den Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern. Auch dafür gibt es einen biografischen Grund: Es ist abzusehen, dass ihre eigene Tochter ebenfalls in luftige Höhen vorstoßen wird. Baumann-von Broen weiß, dass es für das spätere Selbstbewusstsein großer Frauen von enormer Bedeutung ist, wie ihre Mütter damit umgegangen sind: Ist die Körpergröße als Problem betrachtet worden, hat sich das in den Kindern festgesetzt.

Zwölfjährige lassen sich gegen ihre Größe mit Medikamenten behandeln

Deshalb widmet sich der Film auch zwei Zwölfjährigen, die ihre Mitschüler bei Weitem überragen. Das eine Mädchen wird operiert, das andere lässt sich mit Medikamenten behandeln. Die Autorin selbst meldet sich nur gelegentlich zu Wort, dabei meist mit eigenen Erfahrungen; geht es um andere große Frauen, hält sie sich völlig zurück. Trotzdem hat man bei den Passagen mit den beiden Mädchen das Gefühl, Baumann-von Broen würde die medizinischen Wachstumsbremsen eher nicht empfehlen.

Verständnis hat sie trotzdem, denn sie macht deutlich, was gerade in Kindheit und Jugend am meisten am Selbstwertgefühl übergroßer Menschen nagt: Wer Durchschnitt ist, kann selbst individuelle Merkmale entwickeln, die ihn zu etwas Besonderem machen. Wer aber von vornherein aus der Masse herausragt, dem ist die Möglichkeit genommen, sich klein zu machen und in der Menge zu verschwinden.

„Tall Girls“, Arte, Freitag, 22 Uhr 45

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