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Zugeneigt. Verbindet Emilie (Majda Abdelmalek, links) und Rebecca (Clotilde Hesme) mehr als nur ihre beiden Männer?

© Arte Caroline Dubois

Arte-Serie: Odyssee aus Liebe und Lügen

Wüste Mischung aus Psychodrama und verdrehter Kriminalgeschichte: „Obwohl ich Dich liebe“ ist eine französische Frauenserie im „Vertigo“-Stil.

Vater, Mutter, Kind – Friede, Freude, Eierkuchen? Von wegen. Der Ehemann schlittert nach gescheitertem Suizidversuch in eine Psychose und halluziniert schreckliche Dinge: Ist seine brave Gattin vielleicht eine kaltblütige Mörderin und die gemeinsame Tochter nur eine Einbildung? In der französischen Arte-Serie „Obwohl ich Dich liebe“ [Arte, Mediathek bis 21. März] ist nichts so, wie es zu sein scheint.

Auf den ersten Blick mutet alles recht unauffällig an. Rebecca Peyrac (Clotilde Hesme), eine pflichtbewusste Landärztin, hat in ihrem Beruf die Berufung gefunden. Gemeinsam mit Romain (Jérémie Renier), einem schnauzbärtigen Autohändler, lebt sie in einem stilvoll verwitterten Dorf im Burgund.

Das Leben des Paares verläuft in geregelten Bahnen. Ein Dorn im Auge ist Rebecca nur die Nachgiebigkeit ihres Mannes gegenüber seinem labilen, jüngeren Bruder Mickaël (Finnegan Oldfield). Der drogenabhängige Schauspieler liegt dem Älteren auf der Tasche. Er wohnt auch noch direkt gegenüber.

Bei einem gemeinsamen Abendessen verkündet Mickaël dann auch noch vollmundig die Schwangerschaft seiner Freundin Emilie (Majda Abdelmalek), einer Serviererin, die in einer Bar jobbt. Für Rebecca, die seit geraumer Zeit erfolglos ein Kind zu bekommen versucht, ist nicht nur das ein Affront. So muss sie an diesem gründlich missglückten Abend auch noch mit ansehen, wie der cholerische Mickaël die Beherrschung verliert und Emilie ohrfeigt.

Misshandelt dieser Nichtsnutz seine schwangere Geliebte? Rebeccas schlimmste Befürchtungen werden übertroffen, als sie spät nachts beobachtet, wie Mickaël auffällig unauffällig ein übergroßes Paket im Kofferraum verstaut. Versucht er etwa, Emilies Leiche zu entsorgen?

Strukturiert wie ein Handschuh

Die herbeigerufene Polizei nimmt lediglich das Verschwinden der Kellnerin zu Protokoll, mehr nicht. Das alles bringt Rebecca zur Raserei.

Menschen sind zuweilen nicht die, für die sie sich ausgeben. Die Identität einer Frau kann, wie in Alfred Hitchcocks „Vertigo“, eine Schimäre sein, ersonnen von einem intriganten Betrüger. Dieses Motiv hat der französische Regisseur Mathias Golkap um die Gender-Thematik bereichert.

Der Dreiteiler „Obwohl ich Dich liebe“, zu dem er das Buch mit dem für die Netflix-Serie „Black Spot“ bekannten Drehbuchautor Florent Meyer verfasste, ist strukturiert wie ein Handschuh, den man von innen nach außen wendet.

Die bürgerlich-heterosexuelle Ehe von Rebecca und Romain erweist sich als akribisch inszenierte Fassade: eine potemkinsche Ehe, wenn man so will. Dahinter verbirgt sich eine Liebe, bei der es um eine andere sexuelle Orientierung geht, im Original heißt die Serie „Amour Fou“.

Getragen wird die Miniserie von einem großartigen Ensemble, angeführt von Clotilde Hesme, die bereits in der Kultserie „Les Revenants“ zu sehen war. In „Obwohl ich Dich liebe“ changiert die Französin zwischen der Schönen und dem Biest. Sie verkörpert eine brave Gattin, die sich offenbar nur durch die Beziehung zu ihrem blassen Ehemann zu definieren scheint. Tatsächlich aber entpuppt sie sich als toughe Lesbe, die mit dem Gewehr umgehen kann und sich sogar mit Abhörtechniken auskennt.

Die eine oder andere Wendung ist, zugegebenermaßen, nicht so ganz glaubwürdig. Trotzdem funktioniert diese wüste Mischung aus Psychodrama und verdrehter Kriminalgeschichte glänzend. Schade nur, dass nach drei Episoden Schluss ist. Diese Serie, die das Abgründige mit aufreizender Beiläufigkeit präsentiert, hätte man gerne weiterverfolgt.

Manfred Riepe

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