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Audioslideshows: Verlage entdecken vertonte Foto-Reportagen für das iPad

Allein der Gedanke an Diashows löst bei vielen Menschen unangenehme Erinnerungen aus. Dabei ist eine interessantesten Erzählformen des Online-Journalismus durchaus mit ihnen vergleichbar.

Die Web-Reportagen erzählen Geschichten in Bildern und unterlegen sie mit O-Tönen der Protagonisten, Geräuschen oder Musik, bauen manchmal auch Video-Elemente ein. Kurz: Sie schöpfen die multimedialen Möglichkeiten des Internet aus. Audioslideshow nennt sich diese Stilform, und trotz des sperrigen Namens eignen sich diese Kompositionen für eindrucksvolle Reportagen und emotionale Porträts.

Mit dem aktuellen Boom der Tablet-Computer wie dem iPad erhalten die Audioslideshows offenbar starken Rückenwind. In den USA, wo der Einsatz multimedialer Inhalte im Internet viel weiter verbreitet ist, bietet zum Beispiel die „New York Times“ sie an. In Deutschland baut der „Spiegel“ regelmäßig Webreportagen in seine iPad-Ausgaben ein. „Wir versuchen, für den Leser mit unseren iPad-Anwendungen einen Mehrwert zu schaffen“, sagt Jens Radü, der beim „Spiegel“ für Anwendungen auf Tablet-PCs verantwortlich ist. Meistens werden Geschichten aus dem Heft durch die Slideshows ergänzt, die Bilder werden vom Reporter oder Fotograf kommentiert. Oft ergibt sich so eine Art „Making Of“ der Heftgeschichten. Der Leser kann über die vielen Fotos, für die im Heft kein Platz ist, tiefer in die Geschichte eintauchen. Radü ist davon begeistert. Er will Audioslideshows in Zukunft öfter einsetzen, auch als eigenständige Geschichten, nicht nur als Zusatz.

Die meisten Verlage haben auf ihren Internetseiten in den vergangenen Jahren mit Audioslideshows experimentiert. Auf breiter Fläche durchgesetzt hat sich das Genre aber nicht. Regelmäßig findet man diese Bildreportagen nur bei faz.net und sueddeutsche.de. Das Reporterforum, das den mit 3000 Euro dotieren Reporterpreis vergibt, hat in der Kategorie „Web-Reportage“ zwei Wochen vor Einsendeschluss erst eine recht überschaubare Zahl von Einsendungen bekommen. Und Fabian Mohr, Entwicklungsredakteur bei „Zeit Online“, hat der Slideshow schon den Tod verkündet, bevor sie überhaupt richtig zum Leben erwacht ist. Er schrieb in einem Blogeintrag, man solle die Slideshow besser „in aller Freundschaft an den Nagel hängen“.

Doch so einfach ist es nicht, meint Matthias Eberl. Er gewann den Reporterpreis des vergangenen Jahres mit einer Slideshow über einen Münchner Barbesitzer, und er glaubt, dass die Erzählform Zukunftspotenzial hat. „Wir haben da einfach noch ein Ausbildungsproblem“, sagt Eberl. Wer Audioslideshows produzieren will, muss mit Kamera und Aufnahmegerät umgehen können, er muss texten können und die Software beherrschen, mit der man alles zusammenfügt. Seit Eberl auch Seminare gibt, kann er sich vor Anfragen kaum retten. „Bei den Journalisten herrscht unglaubliches Interesse“, sagt er. Aber bisher gebe es noch sehr wenige, die sich darauf spezialisieren. Das liege auch an der „Innovationsschüchternheit“ vieler Verlage, die zwar oft viel Geld in neue Technik stecken, sich aber keine Journalisten leisten, die neue Erzählformen vorantreiben. Auch Ariel Hauptmeier vom Reporterforum sagt: „Das Genre Webreportage ist chronisch unterfinanziert.“

Audioslideshows sind aufwendig zu produzieren, bringen Verlagen aber wenig Geld. Im Internet entscheiden vor allem die Page Impressions (PIs) – also die Aufrufe einzelner Seiten – darüber, wie attraktiv eine Webseite für Werbekunden ist. Die Verweildauer beginnt erst langsam eine gleichwertige Rolle zu spielen – eine Audioslideshow bringt aber genau einen Seitenabruf.

Den Durchbruch für die Slidehows gab es zudem nicht, weil sie von Videoformaten überholt wurden. Als Verleger begannen, multimediale Inhalte in ihre Angebote zu integrieren, war das Video oft das Naheliegendste, es schien ihnen innovativer zu sein als eine Aneinanderreihung von Fotos. Video killed the Slideshow – diese Denkweise hält Jens Radü vom „Spiegel“ aber für falsch. „Im Strom der Videos und der täglichen Youtube-Hetzerei hinterlassen Audioslideshows oft den tieferen Eindruck“, sagt Radü. Man müsse aber je nach Thema entscheiden, was die beste Aufbereitungsart sei.

Christian Helten

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