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Eine Spur, verzweifelt gesucht.  Detective Superintendent Stella Gibson (Gillian Anderson) muss das Puzzle zusammensetzen, das zum Täter führt.

© ZDF und Steffan Hill

BBC-Serie im ZDF: Er jagt Frauen, sie jagt ihn

„The Fall – Tod in Belfast“: Das ZDF zeigt BBC-Krimiserie mit „Akte X“-Star Gillian Anderson als Polizistin. Sie sucht einen Serienmörder

90 Minuten Fernsehen gegen neun Stunden Fernsehen, soll man das miteinander, gar gegeneinander vergleichen? Möglich wäre es ja. Die ARD schickt an diesem Sonntag um 20 Uhr 15 den „Tatort: Ätzend“ ins Rennen, das ZDF kontert um 22 Uhr mit „The Fall – Tod in Belfast“. Beim Krimi im Ersten tritt um 21 Uhr 45 mit der Lösung ein (na,ja) brutaler Spannungsabfall ein, bei der Krimiserie im ZDF ist um 23 Uhr 30 nur der erste von sechs Akten vorüber. Das ist brutal, weil bis zum nächsten Sonntag auf die Fortsetzung gewartet werden muss. Am 14. Dezember wird Finale sein.

Die Ausgangslage der BBC-Serie war schon mal da: Eine Polizistin jagt einen Serienmörder. Für den Zuschauer mordet der nicht unter der Tarnkappe, seine Identität ist von der ersten Szene an bekannt. Wer seine Karten so offen auf den Tisch legt, der muss wie Autor Allan Cubitt eine Menge Raffinesse und Reizmomente in petto haben, damit der anstehende Poker wenn nicht vor Spannung birst, so doch die Spannung hält. Der Einstieg gibt das Versprechen, dass die Serie klüger sein wird als die Grundstruktur.

Also: Detective Superintendent Stella Gibson (Gillian Anderson) wird von London nach Belfast gerufen, um dort bei der Aufklärung eines zurückliegenden Mordfalles zu helfen. Zugleich bricht Paul Spector (Jamie Dornan) ins Haus der jungen Anwältin Sarah Kay ein, um mit ihrer Unterwäsche seine Visitenkarte auf dem Bett auszubreiten. Danach geht er wieder heim, der besorgte Familienvater mit Frau und zwei kleinen Kindern. Er wird in das Haus der Anwältin zurückkehren.

Stella Gibson hat unterdessen zwei Mordfälle zusammenkombiniert, sie hält beide Verbrechen für das Werk eines Täters. Der stellvertretende Polizeichef Jim Burns (John Lynch) zweifelt, da passiert der Mord an Sarah Kay. Jetzt haben die Figuren ihre Positionen eingenommen. Paul Spector jagt Frauen, Stella Gibson jagt ihn. Statt Whodunit eine Recherche nach dem Wie und dem Warum von Verbrechen.

Jede dieser Figuren wird in konzentrischen Kreisen von weiteren Figuren begleitet. Hier die Polizisten und der Polizeiapparat, wo sich vielerlei und nicht eben nur lautere Interessen ineinander- schieben, dort das Familienspektrum der Spectors nebst Babysitterin Katie (Aisling Franciosi), die ihre Weiblichkeit und Sexualität gerade erst entdeckt.

Autor Cubitt ist so frei, durch dieses Belfast, wo noch immer nicht definitiv entschieden ist, ob der Protestant oder der Katholik den wahren Herrn Jesus kennt, weitere Gewalt-, Geld- und Koksspuren zu ziehen. Ob diese mehr atmosphärisch oder zentral ins Katzund-Maus-Spiel zielen – time will tell.

"Akte X"-Star Gillian Anderson wieder in einer Serienrolle

„The Fall“ geht hoch rein bei der Besetzung. Mehr als zehn Jahre hat es gedauert, bis Gillian Anderson nach „Akte X“ wieder eine Serienrolle übernahm. Klar ist ihre Stella Gibson klug, schön und kühl, sehr kühl. Sie ist der Täter- und der Wahrheitsfindung verpflichtet. Sie agiert wie ein Hammer, der in jedem Problem einen Nagel sieht. Das ist der Tag- und Taten-Mensch, dort ist der Nacht- und Nomandenmensch. Ruhelos, nicht tief verzweifelt, tief sehnsüchtig nach dem Leben. Gillian Anderson zeigt den Reichtum dieser Figur, ihre Schluchten und Höhen. Sie ist keine Außenseiterin, Rudelbildung ist ihre Sache aber nicht.

Auf der anderen Seite des Gesetzes steht Paul Spector, gespielt von Jamie Dornan, der nach dem „Belfast“-Part als Christian Grey in der Verfilmung der Frauen-Fantasie von „Fifty Shades of Grey“ weltpopulär werden sollte. Spector, nach außen normal als Psychotherapeut und Familienvater, ist ein serieller Mörder junger Frauen. Seine sexuelle Befriedigung zieht er aus der vollkommenen Kontrolle über seine Opfer. Wie jeder Süchtige muss er von Tat zu Tat seine Dosis erhöhen.

Autor Allan Cubitt, der in den ersten drei Folgen auch Regie führt, lässt das Publikum intensiv teilhaben an der Tatverrichtung und aparten Opferzurichtung durch Paul Spector. Aber was auf den ersten Blick spekulativ und zuschauerheischig aussehen mag, ist tatsächlich das Protokoll und Psychogramm eines Psychopathen. Zu diesem Mordritual gehört auch, dass er bei seinen Morden ein bestimmtes Outfit anzieht, quasi in eine neue, andere Identität schlüpft. Jamie Dornan zieht das Interesse auf das Warum seiner Obsession.

Wirklich nichts gegen die „Tatort“-Anstrengung! Das ist geglücktes Spannungsfernsehen. Aber schon gar nichts gegen „The Fall – Tod in Belfast“. Das ist Fernsehen, das nicht wie der „Tatort“ in 90 Minuten auf Überwältigung, sondern in neun Stunden auf Überzeugung setzt.

„The Fall - Tod in Belfast“, ZDF, Sonntag, 22 Uhr

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