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Beauty-Fotos: Zu digital, um wirklich schön zu sein

In den Hochglanzmagazinen sind nackte Halbwahrheiten zu sehen. Kaum ein Beauty-Foto, das nicht bearbeitet ist. Wer aber will auf Retusche verzichten?

Die Haut ist so straff wie die einer 20-Jährigen, keine einzige Falte im Gesicht. Die Frau auf den Fotos ist aber nicht 20, sondern 44 Jahre alt: Simone Thomalla, „Tatort“-Kommissarin, hat sich jetzt für den „Playboy“ ausgezogen – doch ganz die nackte Wahrheit bekommen die Leser nicht zu sehen. Die Bilder wurden digital verschönert, wenn auch „sehr zurückhaltend“, wie Florian Boitin, Chefredakteur des „Playboy“, sagt. Lediglich leichte Farb- und Fehlerkorrekturen seien vorgenommen worden. Was eine „leichte“ Bearbeitung ist, dürfte Auslegungssache sein.

In der Regel wird kein Bild unbearbeitet in Magazinen und auf Plakaten abgedruckt. Deshalb schlägt jetzt eine französische Politikerin Alarm. Valérie Boyer, die der Partei UMP des Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy angehört, sieht in retuschierten Bildern eine Gefahr, insbesondere für heranwachsende Mädchen. Durch die Fotos werde ihnen ein unrealistisches Schönheitsbild vermittelt. Deshalb will die Abgeordnete der Nationalversammlung in Paris retuschierte Bilder künftig kennzeichnen lassen, einen entsprechenden Gesetzesentwurf für das Verbot hat sie bereits eingebracht.

Boyers Aussichten auf Erfolg dürften gering sein – denn weder wollen Unternehmen mit faltigen Models für ihre Cremes werben, noch Stars und Sternchen ihre menschliche Seite mit Pickeln & Co. zeigen. Zwar ist die Kosmetikmarke Dove dafür bekannt, für ihre Cremes und Lotions mit normalgewichtigen, teilweise dicken Frauen zu werben, aber eine Revolution hat sie dadurch nicht ausgelöst.

Mit Werbefotos sollen Sehnsüchte geweckt werden, die Hoffnung, dass man mit einer bestimmten Mascara Klimperwimpern wie Penélope Cruz bekommt oder mit einem Haarspray eine Mähne wie Heidi Klum. Damit das funktioniert, dürfen Konsumenten natürlich nicht extra darauf hingewiesen werden, dass die Wimpern bereits beim Shooting künstlich verlängert und später per Mausklick noch mal verdichtet oder digital die Haare mit Highlightern zum Scheinen gebracht wurden.

Dass Aufnahmen verschönert werden, ist nicht neu. Als es noch keine Fotografie gab, haben Maler mit Farben bestimmte Seiten stärker betont, als es noch keine digitale Fotografie gab, haben Fotografen mit Papier und Technik Bilder manipuliert. Mit der digitalen Technik hat das Ausmaß der Bearbeitung jedoch erheblich zugenommen.

Wenn Boyer dagegen nun angehen wolle, setze sie jedoch an der falschen Stelle an, sagt Alexander Gnädinger, der unter anderem für „Gala“ und Kampagnen für Adidas fotografiert: „Die Manipulation von Bildern beginnt längst vor der Bearbeitung.“ Schon bei der Auswahl der Models. So würden bei Castings oft sehr junge und sehr dünne Frauen bevorzugt, weil die folgende Bearbeitung weniger aufwendig sei. Mit Make-up und Styling würden sie auf älter getrimmt, so dass beim Betrachter des Bildes der Effekt entstehe: „Oh, die sieht aber noch frisch aus“ – natürlich dank der entsprechenden Creme oder der Kosmetik, die mit dem Bild verkauft werden solle.

Aber nicht nur die Stylisten trimmen das Model auf Perfektion, auch das Licht wird beim Shooting so gesetzt, dass vorher alle Problemzonen im Dunklen verschwinden. Luis Alvarez, der als freier Fotograf für istockphoto und Getty Images in Berlin arbeitet und sich auf Glamour-Fotografie spezialisiert hat, will solche Techniken aber nicht als Manipulation bezeichnen: „Ich akzentuiere nur die besten Seiten des Models“, sagt er.

Nach dem Shooting hört für ihn die Arbeit längst nicht auf. Per Photoshop überarbeitet er das ganze Bild. Zum Standardprogramm gehört beispielsweise, alle Pickel und Rötungen auf der Haut zu entfernen, Pixel für Pixel, damit es trotzdem natürlich aussieht. Bei Bedarf werden Nasen stupsiger, Taillen schmaler und Arme dünner gemacht.

Für solche chirurgischen Eingriffe ist Cathrin Bauendahl Spezialistin. „Elektronische Schönheit“ heißt ihr Unternehmen in Hamburg. Hier lassen Magazine ihren Models die Beine wachsen und Make-up-Hersteller die Augen ihrer Werbegesichter vergrößern. „Beinahe alle Werbebilder sind eine Inszenierung, die mit der Realität oft nichts mehr zu tun hat“, sagt sie. „Die uns aufoktroyierte Schönheit ist nun mal Makellosigkeit und dient auch als Werbemittel, deswegen ist es unser Job, sämtliche Fehler zu minimieren und Bilder zu optimieren sowie der Idee den letzten Schliff zu verleihen.“ Dazu gehört beispielsweise, ein möglichst symmetrisches Gesicht zu schaffen, indem unter anderem das Kinn runder gemacht, Münder versetzt oder Brauen nach oben gezogen werden. Sind die Beine des Models durch das Shooting im kalten Studio zu blau, werden sie einfach gefärbt, Füße und Hände noch mal digital manikürt und pedikürt, Adern und Haare dürfen nicht zu sehen sein. „Teilweise rasieren sich die Models fürs Shooting gar nicht mehr die Beine, weil sie wissen, dass später ohnehin alles noch mal optimiert wird“, sagt Cathrin Bauendahl. Allgemein gilt die Regel: Je unbekannter das Model, desto mehr darf ein Foto bearbeitet werden. Denn wie faltig ein Promi tatsächlich ist, kann bei öffentlichen Auftritten kontrolliert werden.

Um auf die extremen Ausmaße der Bildbearbeitung hinzuweisen, zeigt die australische „Marie Claire“ in ihrer aktuellen Ausgabe ein unretuschiertes Coverfoto. Zu sehen ist Jennifer Hawkins, Miss Universe 2004, im Gegensatz zu Thomallas „Playboy“-Fotos ist hier tatsächlich die „nackte Wahrheit“ zu sehen: Die Beine sind nicht glatt wie Pfirsichhaut, an der Hüfte ist eine kleine Rundung, die normalerweise wegretuschiert werden würde. Aber das Foto wird wohl eine Ausnahme und PR-Coup bleiben wie die Kampagne von Dove. Nicht nur, weil die Magazine und Unternehmen Sehnsüchte wecken wollen. Sondern auch, weil Konsumenten vermutlich gar nicht das Imperfekte sehen möchten, das sie vielleicht beim Blick in den eigenen Spiegel entdecken.

Auch Fotograf Alvarez meint, dass Boyers Ansatz falsch ist, um einem verzerrten Schönheitsbild entgegenzuwirken. „Demnach dürfte dann auch keine Schauspielerinnen in Filmen mitspielen, die sich beim Schönheitschirurgen unters Messer gelegt haben“, sagt er. „Um Komplexe zu vermeiden, reicht es sicher nicht, nur noch hässliche Frauen zu plakatieren.“ Sein Kollege Alexander Gnädinger plädiert deshalb dafür, schon in der Schule so viel Medienkompetenz zu vermitteln, dass Kinder und Jugendliche manipulierte Bilder erkennen. Das sei zwar keine Garantie, um Komplexe zu vermeiden. „Aber immerhin ein Weg, um wahre Schönheit von digitaler Schönheit unterscheiden zu können“, sagt er.

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