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Besondere Herausforderung: Gegen das Vergessen

Esther Zimmering hat sich zur  Vorbereitung auf den ZDF-Film "München '72" in Israel mit der Witwe Ankie Spitzer getroffen.

Für die Hinterbliebenen der israelischen Opfer sind die Erinnerungen an die Stunden im September 1972 allgegenwärtig. Das hat auch Esther Zimmering gespürt, die in „München 72“ Ankie Spitzer spielt. Zimmering hat sich in Tel Aviv sechs Stunden mit der Frau des damals ermordeten Fechttrainers André Spitzer unterhalten. Ein Kameramann, der Zimmering in Vorbereitung eines eigenen Dokumentarfilms über ihre jüdischen Wurzeln begleitetete, hat der Schauspielerin den Kontakt mit der Witwe verschafft. Etwas, was Steven Spielberg in der Vorbereitung seines „München“-Films vor acht Jahren übrigens nicht hinbekommen hat. Zum Treffen in einem Charlottenburger Café hat die Schauspielerin Dokumente mitgebracht: „Der Anschlag auf Olympia ’72 – Forum Deutsche Geschichte.“ Man spürt: Die Vorbereitung auf diese Rolle, das Spielen einer noch lebenden historischen Figur, das war eine besondere Herausforderung. Und der Zuschauer hat so viele Fragen wie selten nach einem zeitgeschichtlichen Fernsehfilm, der es schafft, die Emotionen, die Hoffnungen und Ängste einiger weniger, lange zurück liegender Tage so unmittelbar wieder aufleben zu lassen.

Wie war es für Ankie Spitzer, in die Vergangenheit einzutauchen? Heilt die Zeit alle Wunden? „Nicht wirklich. Klar, überall bei ihr im Haus sind Bilder von André“, sagt Esther Zimmering. Ankie Spitzer habe lange ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie ihren Mann damals überredet hatte, nach München zu gehen, obwohl ihre zwei Monate junge Tochter Anouk in Amsterdam heftig krank geworden war. Dann starb André Spitzer bei der kläglich gescheiterten Befreiungsaktion. Seine Frau verfolgte die Geschehnisse hilflos am Fernseher, wie weltweit Millionen Menschen. Frau Spitzer habe bei dem Gespräch, der Erinnerung daran nicht geweint, aber nach einer gewissen Zeit habe Esther Zimmering gemerkt: „Es ist wohl besser, wenn wir jetzt wieder raus gehen aus dieser Zeit.“

Ankie Spitzer, heute 65, ist in Holland geboren, keine Jüdin, in der Region journalistisch viel unterwegs. „Es ist für uns auch eminent wichtig“, sagt Zimmering, „dass in dem Film das Anliegen der Palästinenser zur Sprache kommt.“ Die 35-jährige Schauspielerin – die sich in preisgekrönten TV-Filmen wie „Kleine Schwester“ einen Namen gemacht hat und am Sonntagabend auch im „Polizeiruf“ zu sehen ist – und Ankie Spitzer haben nicht nur über den September 1972, sondern auch über die Konflikte im Nahen Osten rund um Israel diskutiert, die Gewaltspirale, die Angst vor einem Krieg mit dem Iran. Über Barack Obama, der vielleicht hilft, einen Krieg zu verhindern.

Vor allem aber über den Kampf der Hinterbliebenen der Opfer gegen das Vergessen. Ressentiments, Rachegedanken gegenüber Deutschland wegen dieses totalen Versagens der Behörden bei München ’72 hege Spitzer nicht. „Nein. Keine Vergeltung“, sagt Esther Zimmering. „Es war sicher nicht einfach für sie in der Zeit danach. Die Angehörigen der israelischen Opfer haben jahrelang gegen die Bundesrepublik juristisch gekämpft, um nach 30 Jahren in einer außergerichtlichen Einigung statt einer richtigen Entschädigung ein Schmerzensgeld zu bekommen, das wenigstens die Anwaltskosten deckte.“ Esther Zimmering weiß nicht, ob Ankie Spitzer diesen Film jetzt wird sehen wollen. Ihr wurde, sagt Teamworx-Chef Nico Hofmann, eine DVD nach Israel geschickt. Zur Deutschlandpremiere in der vergangenen Woche in einem Berliner Kino konnte Ankie Spitzer nicht kommen. Sie hatte sich den Arm gebrochen. Markus Ehrenberg

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