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Bewegungssteuerung "Kinect": Ein Hauch von Science-Fiction

Jahrzehntelang wurden Videospiele mit Maus, Tastatur und Controller gesteuert. "Kinect" ändert das grundlegend: Der Bewegungssensor erkennt Gesten, Mimik und Körperhaltung des Spielers. Aber hält die neue Technologie auch, was sie verspricht?

In Steven Spielbergs Science-Fiction-Thriller "Minority Report" wird Hightech spektakulär inszeniert. Besonders stark in Erinnerung geblieben sind die Szenen, in denen der Cop John Anderton – gespielt von Tom Cruise – durch holografische Computermenüs navigiert: Mit Wischgesten lässt er die Fenster blitzschnell an sich vorbeisausen. Zum Kinostart 2002 erschien das noch als reine Zukunftsmusik, doch acht Jahre später ist die Gestensteuerung massentaugliche Realität: Vergangene Woche präsentierte die Firma Microsoft mit "Kinect" einen Sensor für die Xbox 360, der Gesten, Mimik und Körperhaltung des Spielers erkennt und auf den Bildschirm überträgt. "Du bist der Controller", lautet denn auch der Spruch, mit dem das Unternehmen für sein neues Produkt wirbt. Die Spieler sollen dank "Kinect" noch tiefer ins Geschehen eintauchen können – ganz ohne Maus, Tastaur oder Gamepad.

Die Marktstrategie, die Microsoft verfolgt, ist klar: Kinect soll Gelegenheits- und Partyspieler anlocken – bislang stand die Xbox 360 eher für Renn- und Ballerspiele. Das Ganze kommt reichlich spät: Konkurrent Nintendo hat schon 2006 mit der Wii eine familienfreundliche Spielkonsole herausgebracht, die sich weltweit 75 Millionen Mal verkaufte. Doch nicht nur Microsoft will vom riesigen Casual-Kuchen ein Stück abhaben. Auch Sony hat mit Playstation Move gerade erst eine eigene Bewegungssteuerung vorgelegt. Der Dreikampf ist also eröffnet – "Kinect" muss beweisen, dass es bei Handhabung und Spielen mehr zu bieten hat als die Konkurrenz.

Die Installation des rund 150 Euro teuren Geräts gestaltet sich einfach: Es wird direkt auf oder vor dem Fernseher platziert und über zwei Kabel mit Xbox und Stromnetz verbunden. "Kinect" zeichnet die Spielerbewegungen mit einer Videokamera, einem Infrarot- und einem Entfernungssensor auf. Der Infrarotsensor analysiert den menschlichen Körper anhand von 48 "Schlüsselstellen", zum Beispiel den Armbeugen und Knien; Details wie einzelne Finger werden allerdings nicht registriert. Die Kamera dient zur Aufnahme von Fotos und Videos, die später auch über Xbox Live und Facebook mit Freunden geteilt werden können. Darüber hinaus enthält die Sensorleiste vier Mikrofone zur Erkennung von Sprachbefehlen. Problematischer als die Installation von "Kinect" ist der Platzbedarf im Wohnzimmer: Wer allein spielt, sollte mindestens zwei Meter Abstand vom Sensor halten. Bei zwei Spielern sollten es schon mindestens drei Meter sein. Auch zu den Seiten hin braucht "Kinect" viel Platz, damit die Aufzeichnung nicht gestört wird: Couchtische und Sofas müssen also weichen.

Ist der nötige Platz erst einmal freigeräumt, beginnt die Kalibrierung. "Kinect" legt ein biometrisches Profil an, das der Spieler mit seinem Xbox-Benutzerkonto verknüpfen kann. Die "Kinect"-Spiele lassen sich nicht über das gewohnte Xbox-Menü, sondern nur über eine separate Einstiegsseite ("Hub") aufrufen. Im Gegensatz zum großen Vorbild "Minority Report" erweist sich die Navigation hier als hochgradig umständlich: Um einen Menüpunkt auszuwählen, muss der Spieler seine Hand für ein paar Sekunden darüberhalten – mit Maus oder Controller ginge das bedeutend schneller und präziser Für den englischsprachigen Raum bietet "Kinect" bereits eine Menüsteuerung per Spracherkennung, die in Deutschland aber erst 2011 per Software-Update nachgereicht wird.

Zum Verkaufsstart der "Kinect"-Hardware stehen elf Spiele zur Auswahl, in den kommenden Wochen werden weitere folgen. Die Palette reicht von Tanz- und Partyspielen bis hin zu Sport und Fitness. Der Schwerpunkt liegt also eindeutig bei den Casual Games; ob auch klassische Genres wie Rollenspiel oder Strategie für "Kinect" geeignet sind, muss sich noch zeigen. Bei den bereits vorhandenen Titeln (siehe Bildergalerie) wechselt Licht und Schatten. Während "Kinect Adventures" und "Dance Central" weitgehend überzeugen, haben andere Titel massive Probleme mit der Bewegungserkennung. Mangelnde Präzision und deutliche Signalverzögerungen schmälern den Spaß gerade bei solchen Spielen erheblich, die eigentlich schnelle Reaktionen erfordern. Hinzu kommt, dass kaum eines der Spiele mit neuen Ideen aufwartet: Viel zu oft werden bewährte Wii-Rezepte kopiert.

Fazit: Noch deutet Microsofts Bewegungssteuerung nur an, welches Potenzial in ihr steckt. Der langfristige Erfolg von "Kinect" wird davon abhängen, ob die Publisher technisch einwandfreie Spiele mit frischen Ideen verknüpfen können. Zum jetzigen Zeitpunkt lohnt sich der Kauf vor allem für Familien mit Kindern und für Hightech-Fans.

Der "Kinect"-Sensor kostet – inklusive des Spiels "Kinect Adventures" – rund 150 Euro. Darüber hinaus bietet Microsoft ein Paket aus "Kinect"-Sensor, "Kinect Adventures" und Xbox-360-Konsole (4 GB Festplatte) für 300 Euro an. Die meisten Spiele kosten zwischen 50 und 60 Euro.

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