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Ethisch sehr bedenklich: Massentierhaltung.

© dpa

BGH-Urteil: Fernsehen darf auch illegal aufgenommene Bilder aus der Massentierhaltung zeigen

BGH betont Medienfreiheit und großes öffentliches Interesse an MDR-Bericht über Massentierhaltung. Mit der Ausstrahlung habe der Sender "einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet".

Fernsehsender dürfen auch illegal aufgenommene Bilder aus der Massentierhaltung zeigen. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie die Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen gegenüber den "unternehmensbezogenen Interessen" der Landwirte, wie am Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied. Er gab damit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) im Streit mit einem Erzeugerzusammenschluss für Bio-Produkte in Mecklenburg-Vorpommern recht.

Im Mai 2012 war ein Tierschützer in die Hühnerställe von zwei der elf verbundenen Bio-Betriebe eingedrungen und hatte dort heimlich Filmaufnahmen gemacht. Zu sehen waren darauf unter anderem tote Tiere und Hühner mit unvollständigem Federkleid. Der Tierschützer überließ die Aufnahmen dem MDR. Dieser verwendete sie für einen am 3. September 2012 ausgestrahlten Beitrag der Reihe "ARD Exklusiv" unter dem Titel "Wie billig kann Bio sein" und am 18. September 2012 im ARD-Magazin "Fakt". Beide Beiträge beschäftigten sich mit den Auswirkungen des Preisdrucks durch die Aufnahme von Bio-Produkten in die Regale von Supermärkten und Discountern. Der Erzeugerzusammenschluss wehrte sich gegen die Ausstrahlungen und klagte auf Unterlassung. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht Hamburg hatte er damit noch Erfolg. Der BGH hob diese Urteile nun jedoch auf und wies die Klage der Bio-Landwirte ab.

Zwar seien die Aufnahmen rechtswidrig erfolgt, und ihre Ausstrahlung beeinträchtige das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Landwirte. Dies sei hier aber nicht rechtswidrig gewesen. Das vom MDR "verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und sein Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse der Klägerin am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen", urteilten die Karlsruher Richter.

An dem von dem Tierschützer begangenen Hausfriedensbruch habe sich der MDR nicht beteiligt. Auch seien hier keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart worden. Vielmehr dokumentierten die Aufnahmen wahrheitsgemäß "die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe".

Mit der Ausstrahlung habe der MDR "einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet". Die Beiträge zeigten die Diskrepanz zwischen den bei Bio-Produkten von vielen Verbrauchern unterstellten ethischen Standards und den tatsächlichen Verhältnissen bei einer Massenproduktion von Bio-Produkten auf. "Es entspricht der Aufgabe der Presse als 'Wachhund der Öffentlichkeit', sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren", betonten die Karlsruher Richter.

„Das Urteil stärkt dem kritischen und investigativen Journalismus in Deutschland den Rücken“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall. Indem die Richter den Informationsanspruch der Bürger über die Geschäftsinteressen des betroffenen Unternehmens gestellt hätten, sei die aufklärende Funktion der Medien über gesellschaftlich relevante Themen bestätigt worden. „Das gibt Sicherheit bei der Recherche.“

„Die Entscheidung des Bundesgerichthofs stärkt die Presse- und Meinungsfreiheit, in dem sie die Zulässigkeit der Methoden des investigativen Journalismus weiterhin für zulässig erklärt", kommentierte auch Medienrechtsanwalt Johannes von Rüden. "Die Entscheidung festigt vor allem auch die Methoden von Produktionen, die mit ,versteckter Kamera' drehen und so vermeintliche oder tatsächlich bestehende Missstände aufdecken wollen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Format ,Team Wallraff'. Der Bundesgerichtshof hebt auch hervor, dass der grundgesetzliche Schutz des Tierwohls in diesen Fällen die wirtschaftlichen Interessen der Stallbetreiber an der Geheimhaltung der Haltungsbedingungen überwiegt." AFP/Tsp

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