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Den hab ich! Im italienischen Modena werden Panini-Bilder von Mario Götze oder André Schürrle produziert. Auch deutsche Druckereien profitieren von der Sammelwut.

© dpa

Biete Götze, suche Schürrle: Die Jagd auf die EM-Sammelbilder ist eröffnet

Drucken, kaufen, tauschen: Die Fußball-EM kurbelt das Geschäft mit den Spieler-Bildern an. Wie viel man statistisch ausgeben muss, um sein Album voll zu bekommen.

Es ist ein gewohntes Bild an den Supermarktkassen in diesen Tagen: Kinder, die nach Sammelkarten für die Fußball-EM quengeln. Immer wenn ein fußballerisches Großereignis wie die Europameisterschaft 2016 in Frankreich ansteht, wächst die Sammelleidenschaft vor allem der kleinen Fans. Klebebilder fürs Bilderalbum von Mats Hummels, Manuel Neuer oder Thomas Müller vom Einkauf weg, damit zu Hause ins Album einsortiert oder am nächsten Tag beim Kartentausch auf dem Schulhof mächtig angegeben werden kann.

Ob der Klassiker, die Klebebilder von Panini, Fußball-Bilder im Hanuta oder Sammelkarten an der Rewe-Kasse – das Ganze ist, zur Bundesliga, vor allem aber alle zwei Jahre zu Fußball-EM oder WM, ein Riesengeschäft auch für die Druckereien, um das die Hersteller erstaunlicherweise ein kleines Geheimnis machen. Fragen zu Auflage und Marktaufteilung lässt Rewe aufgrund der „Wettbewerbssituation“ unbeantwortet. Man mache grundsätzlich keine Angaben zu Zahlen der produzierten Sammelkarten und Sammelalben.

Fakt ist: Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler lockt seit Anfang Mai mit Sammelkarten der deutschen Nationalmannschaft. Für je zehn Euro Einkaufswert erhält der Kunde eine „offizielle DFB-Sammelkarte“. Insgesamt gibt es 36 Motive, 30 Spielerkarten, das Trainer-Trio, die Fans der deutschen Nationalmannschaft als zwölfter Mann, das DFB-Emblem und das Team-Maskottchen namens „Paule“.

Panini, der Klassiker aus dem italienischen Modena, geht mit einem 96-seitigen Stickeralbum zur Euro 2016 an den Zeitschriftenkiosk, das den Sammlern Platz für 680 Sticker gibt (siehe Kasten). Ein Dauerbrenner: beim Turnier 1980 in Italien erschien zum allerersten Mal ein Panini-Sammelalbum zu einer EM. Erstmals sind nun in Frankreich 32 Teams bei der EM am Start, entsprechend höher die Stickeranzahl. Da geht es ja nicht nur ums deutsche Team wie bei den Rewe-Karten.

Bereits Ende Februar startete die weltweite Produktion der Bilder am Panini-Stammsitz Modena in Italien. In Hochzeiten produziert Panini mit rund 70 Mitarbeitern im Dreischichtbetrieb 21 Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche, so eine Panini-Sprecherin. Es seien mehrere Millionen Alben im Markt in Deutschland. Auch Süßwarenhersteller Ferrero setzt auf die Anziehungskraft der deutschen Nationalmannschaft und lockt zur Fußball-EM mit 18 verschiedenen Team-Cards in seinen Kinderriegeln, passend zum EM-Posterheft der Zeitschrift „kicker-sportmagazin“.

Panini lässt zwar in Italien drucken. Dennoch: Der Produktionswert von Abziehbildern hat in Deutschland in den vergangenen sechs Jahren um über 83 Prozent zugenommen, teilt der Bundesverband Druck und Medien e.V. (bvdm) mit. Auch wenn das Abziehbild mit einem Produktionswert von knapp 100 Millionen Euro lediglich ein Prozent der Summe der der Druckerzeugnisse ausmacht, belegen die Zahlen eine stark steigende und ausbaufähige Nachfrage. Sie speise sich aus Aktionen des Handels, Merchandising und Produkt-Promotion und ist vielfach mit dem Digitaldruck verknüpft.

Die Alben arbeiten mit vorläufigen Kadern

Was die deutschen Drucker freut, ärgert manchmal doch die Sammler. Kleiner Haken beim Bildersortieren: Das vorläufige EM-Aufgebot, das Bundestrainer Joachim Löw am Dienstag bekannt gegeben hat, deckt sich nicht komplett mit den Namen im Rewe-Sammelalbum. Ein Umstand, der, wie vor jedem großen Turnier, angesichts von Verletzungen und Überraschungsnominierungen nicht zu vermeiden ist. Julian Weigl, Julian Brandt, Joshua Kimmich, drei junge Spieler ohne Länderspielerfahrung könnten für Deutschland bei der EM spielen. Sie stehen im provisorischen Kader von Löw, nicht aber im Sammel-Album. Die Festlegung der abgebildeten Spieler müsse rund ein halbes Jahr vor Aktionsbeginn geschehen, erklärt ein Rewe-Sprecher.

Dennoch, es wird weiter geklebt, geheftet, getauscht, was das Sammelalbum hält. Offenbar ein menschlicher Urtrieb. Bereits zu Zeiten der Weimarer Republik legten verschiedene Hersteller von Zigaretten und Lebensmitteln ihren Produkten gratis Sammelbildchen bei. Als 1963 die Bundesliga in Deutschland startete, gab es in Deutschland deutlich mehr Hersteller von Fußballbildern. Heute haben hierzulande Ferrero und Rewe und international eben Panini das Zepter übernommen.

Die Fußballer-Sammelei hat über die Jahrzehnte nichts von ihrer Faszination verloren. Das ist nicht nur eine rein ideelle Geschichte. Neben den positiven, psychologischen Faktoren des Sammelns und Tauschens wie Entspannung, ja, Weiterbildung oder Kontakt zu anderen Menschen ist der Beitrag zum Lebensunterhalt nicht zu unterschätzen. Alle Bilder zu besitzen, das ist das Ziel. Und für Profi-Sammler sogar ein Geschäft. Ein vollständiges Sammelheft von der WM 1974 bringt in Online-Auktionshäusern etwa 3500 Euro, eine Box mit 100 Tütchen Sammelbildern von der WM 1990 satte 3 000 Euro. Die Preise, die für Sammlerstücke ausgegeben werden, bilden sich auf dem freien Markt. Als Faustregel gilt: Je seltener ein Album ist, desto teurer kann man es verkaufen. Unvollständige Alben bringen weniger ein, genauso ungepflegte Alben mit Kaffeeflecken oder Eselsohren.

Einem Sammler aus Bremerhaven sollen für seine Sammlung von allen Heften seit den 1970er Jahren bis heute rund 15 000 Euro geboten worden sein. Der Liebhaber alter Bundesliga-Sammelbilder hat natürlich – nicht verkauft.

Die Album-Formel

Wie viele Sammelbilder sind zu kaufen, zu holen, um ein Album komplett zu füllen? Eine Frage der Mathematik. Bei der Rechnung ist „n“ die Anzahl der unterschiedlichen Sammelbilder. Es wird angenommen, dass die Sammelbilder unabhängig erscheinen und jedes dieselbe Wahrscheinlichkeit hat. Und: Es stehen keine Tauschpartner zur Verfügung. Dann sind durchschnittlich n (ln n + 0577) Sammelbilder notwendig, bis das Album gefüllt ist. Im Klartext: Es werden durchschnittlich 4828 Sammelbilder benötigt, um das Panini-Fußball-Album zur EM mit 680 Bildern zu füllen – das kostet 678 Euro.meh

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