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Medien: Bild: Das System Diekmann

Während Noch-"Bild"-Chefredakteur Udo Röbel sein Büro aufräumte und Kisten packte, muss sein Nachfolger Kai Diekmann in den vergangenen Wochen unzählige Personalgespräche geführt haben. Die am Mittwoch, in der ereignisarmen "Zeit zwischen den Jahren", vom Springer-Verlag bekannt gegebenen Personalien sind erst der Anfang einer Reihe von Umwälzungen in der "Bild"-Redaktion, und sie betreffen zunächst nur die Führungsebene.

Während Noch-"Bild"-Chefredakteur Udo Röbel sein Büro aufräumte und Kisten packte, muss sein Nachfolger Kai Diekmann in den vergangenen Wochen unzählige Personalgespräche geführt haben. Die am Mittwoch, in der ereignisarmen "Zeit zwischen den Jahren", vom Springer-Verlag bekannt gegebenen Personalien sind erst der Anfang einer Reihe von Umwälzungen in der "Bild"-Redaktion, und sie betreffen zunächst nur die Führungsebene.

Die gravierendste Änderung ist die Verzahnung der Redaktionen von "Bild" und "Bild am Sonntag" ("BamS"). Sie besteht nicht nur darin, dass Diekmann ab 2001 Chefredakteur von "Bild" und zugleich Herausgeber von "BamS" ist. Erstmals werden auch die Chefredaktionen miteinander verzahnt. Unterhalb von Kai Diekmann ("Bild") und Claus Strunz (Interims-Chef von "BamS") werden Sportchef Alfred Draxler, 47, Unterhaltungschef Martin Heidemanns, 37, und Jörg Quoos, 37, sowohl Mitglied der "Bild"- wie auch der "BamS"-Chefredaktion sein. Sie sollen dafür sorgen, dass sich die beiden Redaktionen nicht mehr als Konkurrenten sehen. Eitelkeiten dürfen und können zwischen "Bild" und "BamS" künftig keine Rolle mehr spielen. In der Tat arbeitete in der Vergangenheit "Bild" eher noch mit dem Kölner "Express" als mit der Schwesterzeitung "BamS" zusammen. Ab sofort wird ein Recherche-Ergebnis der "BamS", das nicht bis zum Wochenende gehalten werden kann, automatisch zu "Bild" wandern. Umgekehrt wird zum Beispiel eine Serie in "BamS" starten, werktags in "Bild" weiterlaufen und wieder bei "BamS" enden. Was die Verzahnung der Redaktionen in keinem Fall bedeuten soll, ist die Umwandlung der "Bild am Sonntag" in eine siebte Ausgabe von "Bild". Wie die Zusammenarbeit funktionieren könnte, bewiesen zuletzt "Welt" und "Welt am Sonntag" mit dem gemeinsamen Vorabdruck des Kohl-Tagebuchs oder mit Absprachen, von den jeweiligen Redaktionen geführte Gespräche mit demselben Interviewpartner nicht samstags in der "Welt" und sonntags in der "Welt am Sonntag" stattfinden zu lassen.

Neu sind auch die direkten Stellvertreter des offiziell ab kommenden Montag amtierenden "Bild"-Chefs Diekmann. Nachdem Paul C. Martin, 61, bekanntlich Ende des Monats das Unternehmen verlässt, werden Walter Mayer, 41, und Manfred Hart, 47, Diekmanns Stellvertreter. Den Nachrichtenmann Hart nimmt Diekmann von der "Welt am Sonntag" mit. Mayer war zuletzt Stellvertreter von Franz Josef Wagner bei der "B.Z.". Künftig soll Mayer bei "Bild" für die Schlagzeilen sorgen, während sich der neue "B.Z."-Chef Georg Gafron den als ebenso erfahren wie amüsant und anpassungsfähig bekannten Hansjörn Muder, 56, von der "Hamburger Morgenpost" holt.

Zurück zu "Bild": Unterhalb der Ebenen des Chefredakteurs und seiner direkten Stellvertreter dreht sich auch auf der Hierarchiestufe der stellvertretenden Chefredakteure das Personalkarussell mit vollem Schwung: Neben dem für Unterhaltungsthemen zuständigen stellvertretenden Chefredakteur Heidemanns als Klammer zwischen "Bild" und "BamS" kommt Christiane Hoffmann, 32, als stellvertretende "Bild"-Chefredakteurin hinzu. Die bisherige Vize-Redaktionsleiterin von "Bild München" wird Unterhaltungschefin und folgt damit Manfred Meier, 49, der Springer verlässt. Redaktionsintern heißt es, Diekmann habe sich daran gestört, dass Meiers Klatsch-Quelle vornehmlich die Hamburger Szene-Kneipe "Zwick" gewesen sei. Mehr Präsenz in der Redaktion, mehr Aktualität und Schnelligkeit sowie Themen, die eine vielfältigere Promi-Szene betreffen: Das sind die Erwartungen an Hoffmann.

Mit Marion Horn, 35, wird noch eine Frau am so genannten "Balken" stehen und das Blatt mitgestalten - was in der "Bild"-Geschichte, eine absolute Novität ist. Ihre Aufgabe ist nicht darauf beschränkt, sich um Frauenthemen zu kümmern und Alt-Herren-Weisheiten aus dem Blatt herauszuhalten. Marion Horn, früher "Bild der Frau", dann bei Bauer Chefredakteurin "Wochenend" und "TV Hören und Sehen" sowie bei Gruner + Jahr Chefredakteurin der "Hamburger Morgenpost", entwickelte in diesem Jahr für Springer eine Frauenzeitschrift. Sollte die auf den Markt kommen, müsste sich Springer einen neuen Macher suchen. Horn wird am 2. Januar, wenn Diekmann seine neue Truppe erstmals der Redaktion präsentiert, als stellvertretende Chefredakteurin vorgestellt.

Bei so vielen neuen Namen stellt sich die Frage, was mit den alten "Bild"-Mannen passiert: Norbert Körzdörfer, 46, wird als Diekmanns Berater vor allem wieder schreiben und sich um Textpflege kümmern. Chefredakteur der "Bildwoche" bleibt er, die redaktionelle Leitung übernimmt jedoch Louis Hagen, zuletzt stellvertretender "Bild"-Chefredakteur. Uwe Dulias und Martin Gilnik verlassen "Bild" ebenfalls und folgen ihrem Chefredakteur Udo Röbel zu "Bild.de". Und Ulf C. Goettges, 42, wird direkter Stellvertreter des neuen "Welt am Sonntag"-Chefs Thomas Garms.

Ob Kai Diekmann das Rezept kennt, wie der Sinkflug der Boulevardblätter gestoppt oder ins Gegenteil gekehrt werden kann? Die Art, wie er eine neue, jüngere Truppe bildet, lässt vermuten, dass er vieles anders machen will, um dem Axel Springer Verlag wieder ein Auflagenplus zu bescheren. Das war seit dem zweiten Quartal 1998 nicht mehr der Fall. Im Vordergrund dürfte für ihn jedoch noch etwas anderes stehen. Der journalistisch von Claus Larass geprägte Diekmann dürfte wieder da anknüpfen wollen, wo sein Vor-Vorgänger Larass aufgehört hat: Ihm ging es in seiner Amtszeit darum, "Bild" zu regionalisieren, in das oft geschmähte Boulevardblatt Kulturthemen zu packen und glaubwürdigen (Nachrichten-)Journalismus zu betreiben. Dieser Ruf wurde zuletzt durch die Entscheidung beschädigt, den Fall Sebnitz groß herauszubringen. Es sollte Udo Röbels letzter Coup werden - er scheiterte.

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