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Traditionelle Landwirtschaft: Kann sie das Hungerproblem lösen?

© WDR/Jens Mattner

Biobauern vs. Gentechnik: Die Speisung der zehn Milliarden

Valentin Thurns Dokumentarfilm „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ beschäftigt sich mit dem Hunger der Zukunft.

Das runde Stück Fleisch in der Pfanne sieht mäßig appetitlich aus, Mark Post hat es anbrennen lassen. Für Valentin Thurns Dokumentarfilm „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ beißt der Wissenschaftler von der Universität Maastricht trotzdem herzhaft in seinen Hamburger.

Ein teures Vergnügen, denn dieser künstliche, aus den Stammzellen einer Kuh gewonnene Fleischballen kostet 250.000 Euro. Noch, behauptet Post. In zehn oder 15 Jahren werde die Variante aus der Petrischale billiger sein als natürliches Fleisch.

Der Hunger wird von den Vereinten Nationen als das „weltweit größte lösbare Problem“ bezeichnet, aber welche Lösung ist die richtige? Posts Stammzellen-Methode eher nicht, glaubt Thurn. Sein Burger werde für die Armen unerschwinglich bleiben. Der in Stuttgart geborene Journalist hatte 2011 mit dem preisgekrönten Film „Taste the Waste“ die Lebensmittelverschwendung angeprangert und damit einige Wirkung erzielt.

Thurn schrieb Bücher zum Thema und gründete Online-Plattformen wie foodsharing.de und tasteofheimat.de. Bei so viel Sachkunde und Engagement wirkt es etwas seltsam, wenn er das Resümee in seinem Film mit dem Satz beginnt: „Bisher war ich gewohnt, beim Einkauf einfach aus dem Vollen zu schöpfen, ohne mir darüber viele Gedanken zu machen, woher das Essen eigentlich kommt.“

Plädoyer für eine bessere Verteilung

Glaubhaft oder nicht – an einer klaren Haltung zum Thema Ernährung und Lebensmittelproduktion mangelt es auch nicht. Nicht die Konzerne, nicht deren Gentechnik und Saatgut-Patente, sondern die Förderung der Kleinbauern sei „der effektivste Weg, um Hunger zu bekämpfen“. Sie könnten für eine bessere Verteilung von Lebensmitteln und Einkünften sorgen, erklärt der Autor und Regisseur.

Sein „10 Milliarden“-Film gilt als erfolgreichster deutscher Kino-Dokumentarfilm des vergangenen Jahres, was angesichts von 54.000 zahlenden Besuchern eher eine ernüchternde Bilanz ist. Der von WDR und SWR koproduzierte Streifen wird nun – leider in einer von 107 auf 90 Minuten gekürzten Version – im Ersten ausgestrahlt.

Thurn argumentiert in einem geschickten Wechselspiel. Hat gerade ein Forscher des Bayer-Saatgutzentrums in Gent die ertragreichen Hybride gepriesen, schneidet Thurn auf ein Feld in Indien um, wo eine Überschwemmung das Hybrid-Saatgut komplett zerstört hat, während sich die traditionellen Sorten noch aufrecht halten.

Kompliziertes wird ausgespart

Viele Bilder von Thurns „Reise um die Welt“ sprechen für sich, die Montage setzt auf harte Kontraste: hier das kalte, künstliche Licht in industriellen Produktionsstätten oder universitären Laboren, dort die schönen, warmen Naturaufnahmen auf verschiedenen Bio-Bauernhöfen.

Und während es hierzulande kaum mehr möglich ist, Drehgenehmigungen für Tierfabriken zu erhalten, protokolliert die bestechende Kamera von Hajo Schomerus den Ablauf der industriellen Tierverwertung auf einer indischen Hühnerfarm. Thurn bringt zwar grundsätzlich keine neuen Erkenntnisse in die Debatte ein.

Auch spart er sich die komplizierte Frage nach den politischen Strukturen, nach dem Zusammenhang von Demokratie, Armut und Bevölkerungswachstum. Aber er argumentiert verständlich, anschaulich und mit vielen Beispielen, so dass „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“ auch für die Bildungsarbeit besonders geeignet erscheint.

Thurn verzichtet zudem auf Angst und Schrecken und entlässt sein Publikum nicht mit dem Gefühl, angesichts der Prognose von zehn Milliarden Menschen in der Mitte des Jahrhunderts in eine unvermeidbare Katastrophe zu schlittern.

„10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“, ARD, Mittwoch, 22 Uhr 45.

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