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Matthias Spielkamp ist freier Journalist und spezialisiert auf Immaterialgüter und Recht und Regulierung der Informationsgesellschaft. Er ist Projektleiter der Webseite irights.info, die sich redaktionell mit diesen Themen befasst.

© Daniel Porsdorf, schein-berlin.de

Bloggerkolumne: Leistungsschutzrecht? Dreifach falsch!

Kopisten stehlen im Netz Artikel? Das stimmt in vielerlei Hinsicht nicht. Der Inhalt ist frei verfügbar - wenn die Verlage damit kein Geld verdienen können, ist das ihr Problem, nicht das des Gesetzgebers!

Es war eine der netzpolitischen Nachrichten der Woche: Der Koalitionsausschuss von Union und FDP hat beschlossen, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen. „Ein was?“ fragten sich da viele. Zu Recht.

Noch einmal ganz langsam: Die Verlage sagen, sie brauchen dieses Recht, weil im Internet andere mit ihren Inhalten Geld verdienen, sie selbst aber online nicht genug einnehmen können. Denn: „Gewerbliche Kopisten (stehlen) oft tausende Artikel auf einmal“, so Christoph Keese, Chef-Lobbyist des Axel-Springer-Verlags.

Das ist doppelt – nein: dreifach falsch. Zum Ersten werden nicht in einem nennenswerten Ausmaß im Internet Artikel „gestohlen“. Anders als bei Musik und Filmen gibt es kein megaupload.com für die „Welt am Sonntag“, kein kino.to für die „BILD“. Denn die Inhalte stehen – anders als Musik und Filme – ohnehin frei zugänglich im Netz.

Zum Zweiten reicht das bestehende Urheberrecht völlig aus, um gegen Websites vorzugehen, die Inhalte ohne Genehmigung übernehmen. Und drittens muss ein Recht für einen gesellschaftlichen Interessenausgleich sorgen.

Ein Leistungsschutzrecht wäre das Gegenteil eines Interessenausgleichs. Denn die Verlage möchten Freiheiten massiv einschränken, um sich selber Einnahmen zu verschaffen, die sie mit ihrem derzeitigen Geschäftsmodell nicht erzielen können. Dass dem so ist, ist aber die Folge der digitalen Revolution, nicht davon, dass die Verlage zu wenig gesetzlichen Schutz genießen.

Die Leser wandern zunehmend ins Netz. Das bedeutet, dass die Verlage ihre Gebietsmonopole verlieren und dass in der Folge die Inhalte entbündelt werden. Früher konnte ein Verlag seinen Lesern ein Paket verkaufen, in dem der Lokalteil das Feuilleton subventioniert hat, der Sport die Politikberichterstattung. Das ist vorbei. Werbekunden zahlen für Leserkontakte, nicht für Inhalte, und sie zahlen dafür im Netz sehr viel weniger, weil hier Werbeflächen nicht knapp sind.

Nun behaupten die Presseverlage, sie seien so „systemrelevant“ wie Großbanken, denn ohne sie funktioniere die Demokratie nicht mehr, weshalb sie mit einem eigenen Schutzrecht ausgestattet werden müssen. Wieder falsch. Journalismus ist systemrelevant, nicht bedrucktes Papier. Auf welchem Trägermedium Journalismus stattfindet, ist nicht entscheidend.

Außerdem muss er von Journalisten gemacht werden. Doch gerade freiberufliche Journalisten werden von den Verlagen dazu genötigt, alle Verwertungsrechte an ihren Beiträgen abzutreten. Diese Verlage nun zur Belohnung auch noch mit einem Leistungsschutzrecht auszustatten, hieße, den Bock zum Gärtner zu machen.

Matthias Spielkamp

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