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Der Papst hat gesagt... Per Twitter tauschen sich viele Gläubige aus. Über den Kurznachrichtendienst wurde auch bei der Bloggerkonferenz in Rom diskutiert. Foto: AFP

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Blogozese in Rom: Gott 2.0

Dreimal Ave Maria und du bist drin: Das erste Bloggerkonzil im Vatikan.

Gibt es Schöneres als einfache Klischees? Blogger, das seien doch diese Internetfanatiker, die Kinder, Ehrenämter oder gar Gottesdienste für verlorene Offline-Zeit halten. Und im Vatikan, da arbeiteten doch nur alternde Herren in wallenden Gewändern, die gar nicht merkten, dass die Welt an ihnen vorbeirauscht. Schöner als solche Klischees ist nur die Erfahrung, sie zerplatzen zu sehen. Wie zum Beispiel am Montag beim ersten „Vatican Blog Meeting“ der katholischen Kirchengeschichte, zu dem der Vatikan 150 Bloggerinnen und Blogger aus der ganzen Welt nach Rom eingeladen hat.

Wir kommen in der Via della Conciliazione – der Straße der Versöhnung –, genau zwischen Petersdom und Engelsburg gelegen, an. Unter der weiß-gelben Fahne des Kirchenstaates kontrollieren Sicherheitsleute den Zugang zu den steinernen Hallen. Hier treffen Priester aus Indien auf katholische Mütter aus Brasilien, Mönche und Nonnen Jahrhunderte alter Orden auf junge US-Amerikaner in Star-Wars-Shirts, Kurienbischöfe auf spanische Hobbyblogger. Erfreute Rufe, wenn sich virtuelle Bekanntschaften nach Jahren endlich real begegnen. Die Macher des Blogs frischfischen.de haben 17 deutschsprachige Teilnehmer ermittelt, unter denen ich der einzige Nicht-Katholik zu sein scheine. Wurde ich als Wissenschaftsblogger zur Evolution oder als Protestant zur Ökumene geladen? Die Entscheidungen des Vatikan bleiben geheimnisvoll, selbst hier.

Ein Erzbischof eröffnet das Treffen. Und erwähnt gleich zu Beginn, dass Papst Benedikt XVI. Geistliche und Laien öffentlich aufgerufen hat, sich stärker im Internet zu engagieren. Aus Sicht der Blogger spricht das für den Papst. Und aus Sicht des Vatikan für die Blogger. Pontifex maximus, oberster Brückenbauer, so geht das also.

Längst ist der Vatikan im Web 2.0 aktiv. Am Sonntag wurde die Seligsprechung von Johannes Paul II. vom vatikanischen Medienrat live getwittert und per Stream ins Netz übertragen. Die vatikanische Tageszeitung „Osservatore Romano“ ist mit einer Homepage im Netz vertreten – und natürlich auch der Vatikan selbst mit www.vatican.va.

Bei der Tagung klappen die Blogger nun die Laptops auf, auf einigen prangt das biblisch inspirierte Logo des angebissenen Apfels. Wie man ins Internet kommt? Eine Bloggerin bemerkt trocken: „Dreimal Ave Maria reicht.“ Und tatsächlich: überall schneller, unkomplizierter Netzempfang. Stromdosen werden geschwisterlich geteilt, man duzt sich. Und entschuldigt sich dafür, wenn sich herausstellt, dass der andere ein Kirchenvertreter ist. Innerkatholische, interkulturelle Kommunikation.

Sitznachbarn nehmen das Gespräch über Twitter auf, vorne gibt es Reden, Podien, Fragerunden. Gestandenen Kirchenfunktionären ist die Irritation anzusehen, weil sich besondere Zustimmung zu Gesagtem zwar auch in gesenkten Häuptern, aber vor allem in eifrigem Tippen ausdrückt. Es werden Bloggertreffen-Klassiker diskutiert wie die Bedrohung der traditionellen Medien durch das Internet. Andere Themen sind neu: Wie kann eigentlich eine Hierarchie einen Dialog mit einem Netzwerk führen? Und wie geht man mit antireligiösen und antikatholischen Beschimpfungen um? Katholischen Christen, Muslimen und Juden schlage im Netz oft besonderer Hass entgegen.

Zum heimlichen Star der Blogger-Tagung wird ein dynamischer Priester, der aus einem holländischen Dorf heraus einen florierenden Blog zu Filmen aufgebaut hat und von seiner Arbeit berichtet: „Über 90 Prozent derjenigen, die mit mir gerne über katholische Spuren in der Filmkultur diskutieren, würden dazu nie einen Priester aufsuchen. Ich möchte aber nicht nur mit den Menschen sprechen, die bereits in meine Kirche kommen.“ So geht das, Vatikan.

Projekte werden präsentiert, Zeitfenster überschritten, ohne dass sich jemand beschwert. Gerne hätte ich mehr von dem Zisterziensermönch erfahren, dessen Stift Heiligenkreuz mit klassischen Chorälen über YouTube und Facebook Hunderttausende Internet-Nutzer erreicht. Nachwuchsmangel herrscht dort nicht mehr. Doch die Nacht bricht an. Und so erheben sich Kirchenleute und Blogger abschließend zum gemeinsamen Vaterunser in allen Sprachen des World Wide Web. Für einen erstaunlich besinnlichen Moment des Gebetes ruhen alle Tastaturen.

Michael Blume[Rom]

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