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Was kann Jan Böhmermann dafür, dass die aktuelle Satire so doof ist?

© dpa

Böhmermann, Fake-Interviews und Beleidigung: Ich bin Satiriker, ich darf das?

Jan Böhmermann muss verteidigt werden. Nicht aber die Nebenwirkungen wie erfundene Interviews von Diekmann und "Titanic" sowie Beleidigungen unter aller Sau.

"Was Böhmermann macht, ist nicht meine Art von Humor", sagte Guy Verhofstadt, ehemaliger Premierminister von Belgien, in einem Tweet. "Aber in einer freien Gesellschaft ist das der Preis, den wir für unsere Freiheit zahlen müssen." Dieser Ansicht kann jedermanns uneingeschränkte Solidarität gelten.

Sehr viel schwieriger wird es bei den Wirkungen und Nebenwirkungen, die Böhmermanns Schmähsatire ausgelöst hat. Schier unendlich sind sie, zwei davon aber wiegen besonders schwer. Da ist zunächst der Gebrauch, der Missbrauch von Böhmermanns Trick: Ich beleidige Erdogan, was immer deutsche Sprache an Beleidigungen hergibt, etikettiere das dann aber als Satire, die wiederum darin besteht, die Grenzen der Satire in Deutschland auszutesten. So weit, so Böhmermann.

Hallervorden war "doof, aber schlecht gemacht"

Ist vielleicht eine schlaue, raffinierte Tat gewesen. Jetzt kommen aber die Apologeten. Dieter Hallervordens Liedlein lässt sich noch unter "Doof, aber schlecht gemacht", also als Didi-Humor wegsortieren, dann hatte "Bild"-Herausgeber Kai Diekmann die sagenhafte Idee, ein Interview mit Böhmermann zu faken. Sagen wir es so: So schwer es sein wird, Böhmermanns Schmähgedicht aus dem Dunstkreis der Satire wegzuklagen, so schwer ist es, Diekmanns Exklusiv-Interview unter Satire einzuordnen. Beispiel einer gefakten Böhmermann-Antwort: "Ich hätte Schafe genommen, nicht Ziegen. Schafficker. Holpert zwar etwas, aber für Schafe haben die Menschen mehr Sympathie." Ob Springer-Oberboss Mathias Döpfner, der bei Böhmermann noch "laut gelacht" hatte, auch hier wieder unterm Laptop lag?

Am Freitag nun dürfte die Humor-Schmerzgrenze bei Springers einem weiteren Härtetest unterzogen worden sein. Die "Titanic", das noch vor der "heute-show" unlustigste Satiremagazin in Deutschland, haute richtig einen raus. "Titanic-Super-Scoop: Das erste Interview mit Böhmermann-Interviewer Kai Diekmann!" Richtig, wieder ein Fake, das ist ja eine der scheußlichsten Nebenwirkungen der Böhmermann-Affäre: Fake-Interviews. Interviews, die sich authentisch geben. Ein Spiel mit der Glaubwürdigkeit von Medien, die "Lügenpresse" versteht sich halt aufs Lügen.

"Titanic" fakt Diekmann-Interview

"Titanic", so die Beobachtung, ist halt in großer Not. Seitdem sich - ausgerechnet - das ZDF zur Satiremaschine entwickelt hat, tut sich sich das Monatsheft schwer. Die wesentlichen Essentials deutscher Satiremacher sind ja von den Oliver Welkes dieser Welt besetzt: Der Papst ist bigott, der Kapitalismus ist gierig, Politik ist doof. Daran muss die "Titanic" vorbei.

Jan Böhmermann, auf jeden Fall die Nebenwirkungen, zeigen Wege auf. Fake-Interview, klar, aber selbst das versuchen jetzt andere, also bleibt, was deutsche Satirekunst als zweite Neuheit entdeckt hat: die direkte Beleidigung.

"Titanics Super-Scoop" kann mit Böhmermanns Schmähgedicht wahrlich mithalten. Es ist schon ein Wahnsinn, was gerade alles lustig und komisch und unter dem Label "Satire" veranstaltet wird.

Und das darf man Jan Böhmermann wirklich übelnehmen. Er hat den (Möchtegern-)Satirikern den Ausweg nach unten gewiesen, er hat den Hasskommentar geadelt, er gibt dem hinterletzten Möchtegern-Scherzbolzen eine Ausrede an die Hand: Ich bin Satiriker, ich darf das.

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