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In den Studios von Berliner Synchron bekamen Skyler und Walter White (Anna Gunn, Bryan Cranston, links) 2008 ihre deutschen Stimmen.

© Frank Ockenfels/dpa

Boom in der Synchronbranche: Wenn Walter White und Frank Underwood Deutsch sprechen

Serien sind die neuen Blockbuster und Streamingdienste drängen auf den deutschen Markt. Ein Besuch bei „Berliner Synchron“.

„Ich bin nicht in Gefahr, Skyler. Ich bin die Gefahr! Einer öffnet die Haustür und wird erschossen, und du meinst, das wäre ich? Nein. Ich bin derjenige, der bei ihm klopft“, faucht Joachim Tennstedt. Ikonische Sätze der Seriengeschichte.

Sie kommen aus dem Mund von Bryan Cranston, der Walter White in der Serie „Breaking Bad“ spielt. Tennstedt hat den Meth kochenden Chemielehrer synchronisiert. Als er die Sätze ins Mikro sprach, stand er in den Studios der „Berliner Synchron“.

Es ist eines der größten und ältesten Synchronstudios Deutschlands. 62 Mitarbeiter arbeiten dort täglich an bis zu zehn Projekten gleichzeitig. Mehr als 8000 Film- und Serienformate wurden von der Firma schon ins deutsche übertragen. Allein dieses Jahr sollen weit über 100 dazukommen. Bis März 2017 noch in Lankwitz beheimatet, ist das Unternehmen inzwischen nach Schöneberg umgezogen.

Unter jungen Städtern mag der Trend zwar zum englischen Original gehen, bundesweit hat sich das noch nicht durchgesetzt – was gute Zeiten für das Synchrongeschäft bedeutet. „Die Auslastung ist zurzeit extrem hoch“, sagt Berliner-Synchron-Geschäftsführerin Martina Berninger.

Das war nicht immer so. Nachdem die aufkommenden Privatsender in den 90er Jahren einen Branchen-Boom verursacht hatten, fingen die deutschen Sender Anfang der 2000er Jahre an, sich auf Eigenproduktionen zu konzentrieren, um nicht von den immer teurer werdenden Lizenzprodukten aus dem Ausland abhängig zu sein, erklärt Berninger.

Der aktuelle Aufschwung ist Streamingdiensten wie Netflix, Sky und Amazon Prime Video zu verdanken. Waren früher neben den Filmfirmen die TV-Sender Hauptauftraggeber, sind es jetzt die On-demand-Plattformen. Die Berliner arbeiten unter anderem mit Netflix zusammen und haben Erfolgsserien wie „Fargo“, mit Martin Freeman und Billy Bob Thornton, oder „Better Call Saul“ übersetzt.

Die Lippenbewegungen müssen passen

Serien, einst belächelt als der kleine Bruder des großen Kinos, gelten inzwischen als anspruchsvoller als so mancher Blockbuster. Anstatt zweieinhalb Stunden über die große Leinwand zu flackern, können sich Storyline und Charaktere über mehrere Episoden entwickeln. Große Hollywoodstars haben das Format für sich entdeckt. Benedict Cumberbatch und Amy Adams spielen zum Beispiel die Hauptrollen in den neuen Serien „Patrick Melrose“ und „Sharp Objects“ auf Sky. Kevin Spacey verhalf Netflix in „House of Cards“ zum Erfolg.

Jede Menge neuer Serien und natürlich auch Filme – Berliner Synchron arbeitet auch mit 20th Century Fox, Paramount, der BBC, Universal Studios zusammen – drängen hierzulande auf den Markt. Damit Walter White seiner Frau auf Deutsch erklären kann, wie gefährlich er ist, dauert es drei bis vier Monate. So lange braucht man in den Schöneberger Studios für die Synchronisation einer Staffel. Und alles beginnt mit einem Klick.

Die Experten von Berliner Synchron setzen sich mit Handzählgeräten vor den Bildschirm und zählen die „Takes“ – die Anzahl der Sätze, die man in einem aufnehmen muss. Das kann ein Monolog sein, oder nur ein Seufzer. Takes sind die Währungseinheiten der Synchronbranche, danach werden die Sprecher, die meist als Freie arbeiten, bezahlt – für TV- und DVD-Produktionen durchschnittlich 3,50 Euro pro Take, für Kinofilme 4,10 Euro, plus eine Grundgage von durchschnittlich 70 Euro (TV) beziehungsweise 87 Euro (Kino). Etwa 20 Takes kann ein Sprecher pro Stunde abarbeiten.

Doch bevor jemand vor ein Mikro tritt, muss erst erarbeitet werden, was die Figuren denn auf Deutsch genau sagen sollen. Zuerst wird eine Rohübersetzung erstellt, danach geht diese an den „Synchronautor“. Er muss den deutschen Satz mit den englischen Lippenbewegungen vereinigen und trotzdem den gewünschten Inhalt vermitteln. Schließt der Schauspieler die Lippen, muss im Deutschen ein Wort kommen, bei dem sie ebenfalls geschlossen sind, und umgekehrt. Das Stellt die Autoren oft vor Schwierigkeiten.

„Why“ lässt sich nicht mit „warum“ übersetzen, am Ende des deutschen Wortes sind die Lippen zu, beim englischen offen. Hier kann man sich noch mit „wieso“ behelfen, es gibt aber auch schwierigere Fälle wie beim Verb „sterben“ am Wortende. Hier ist der Mund im Deutschen erneut zu, beim englischen „die“ aber nicht. Der Synchronautor sucht einen anderen Ausdruck oder verändert die Wortstellung. Dann werden die Sprecher geladen - und zwar Einzeln. Der Mensch, der einer Film- oder Serienfigur seine Stimme leiht, kommt ins Studio und spricht alles ein, was diese Figur sagt. Es ist immer nur ein Sprecher im Studio, Dialoge werden danach zusammengefügt.

Englisch ist einfach, Spanisch nicht so sehr

Sitcoms sind meist teurer als Horrorfilme, weil es mehr Dialog gibt. Andere „Preistreiber“ sind Kinderrollen. Hier müssen sich die Studios an strenge Regeln halten, was die Arbeitszeiten der Kleinen betrifft. Für jede Produktion muss beim Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit eine Genehmigung eingeholt werden.

Auch Sprachen sind unterschiedlich aufwendig zu synchronisieren. Englisch lässt sich, gemeinsam mit Dänisch und Holländisch, vergleichsweise einfach auf Deutsch umlegen. Denn „der Sprachrhythmus ist ähnlich“, erklärt Jens Krüger, Produktionsleiter bei „Berliner Synchron“. Er stellt die Kreativteams aus Übersetzern, Autoren, Regisseuren zusammen.

Während also Briten, Amerikaner, Dänen und Holländer in etwa gleich schnell sprechen wie die Deutschen gibt es Schwieriger bei Russisch, Spanisch, Französisch oder Hindi, das bei Bollywood-Filmen übersetzt werden muss. Auf Spanisch und Hindi wird schneller gesprochen als auf Deutsch. "Das sind Sprachen wo es ohne Ende klappert und der Satz ewig lang ist und in der deutschen Übersetzung bräuchten wir nur drei Worte", erklärt Krüger. Russen und Franzosen öffnen hingegen den Mund kaum beim Sprechen. Dialekte werden meistens nicht nachgebildet. In manchen Fällen könne die Herkunft eines Charakters über die Wortwahl ausgedrückt werden.

Ein britischer Charakter benutze in der Übersetzung dann feinere Sprache, als ein Cowboy, sagt Krüger.

Deutsche Promis sprechen meist in Animationsfilmen

Etwas mehr Freiheit, was Dialekt oder Slang betrifft, bieten Animationsfilme, erklären die Experten. Denn hier bewege man sich in einem Comedy-Genre. In diesem Bereich kommen auch die meisten deutschen Promi-Synchronsprecher zum Einsatz. Rick Kavanian und Anke Engelke leihen ihre Stimmen den Figuren in “Hotel Transilvanien”, Christoph Maria Herbst spricht Peter Hase im gleichnamigen Film und Ottos Stimme kam in den “Ice-Age”-Filmen” aus dem Mund von Sid dem Faultier und hat der Reihe in Deutschland zu größerem Erfolg verholfen als im Herkunftsland USA.

Ist alles eingesprochen, kommt das Material zum Schnitt. Hier werden noch mal Schmatzer oder Ähnliches entfernt. Zum Schluss werden Hintergrundgeräusche eingefügt. Dann kann der Film oder die Serie ausgestrahlt werden, online gehen, verkauft werden. Wir hören Marlon Brando sagen: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“, Julia Roberts stammelt: „Ich bin auch nur ein Mädchen, das vor einem Jungen steht und ihn bittet, es zu lieben“, und Walter White ist derjenige, der klopft.

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