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Bis hierhin – und wie weiter? Toni Lehmstedt (Marie Bäumer) sucht in der Klinik für psychische Erkrankungen nach einer passenden Therapie.

© ZDF und Conny Klein

"Brief an mein Leben" im ZDF: Wenn das Leben kapituliert

„Brief an mein Leben“: Ein ZDF-Film zum Thema "Burnout" mit Marie Bäumer nach dem Buch von Miriam Meckel.

War ja fällig, der Film zu „Burnout“, der neuen Volkskrankheit. Ausgebrannt, nicht weiter können, die Maßstäbe der Leistungsgesellschaft werden zur Überforderung, Geist und Körper blockieren, Stillstand. Das Buch war auch schon geschrieben: „Brief an mein Leben" von Miriam Meckel. Und dann greift die Drehbuchautorin Laila Stieler („Die Opfer – Vergesst mich nicht“) zum Bestseller, dann nehmen der Regisseur Urs Egger und die Schauspielerin Marie Bäumer das Drehbuch in die Hand. Und dann wird aus der Innenansicht einer Frau, die ihren Burnout beschreibt, ein ZDF-Film: „Brief an mein Leben“ nach Motiven des Buches von Miriam Meckel.

So ein Film könnte auf der Kitschkante genäht sein. Frau kapituliert, bricht zusammen, was geht nicht alles in die Brüche, Schreien, Toben, das ganze Arsenal einer Biografie, die von der Überholspur in die Sackgasse des Lebens gerast ist. Und ja, der ZDF-Film handelt davon, er hat die Sequenzen, er arrondiert die Stationen, sein Personal reicht von der leukämiekranken Mutter zu den Mitpatienten, die mit Ablehnung auf die Ablehnung durch Toni Lehmstedt (Marie Bäumer) reagieren. Aber, und das bitte mit fünf Ausrufezeichen lesen, dieser „Brief an mein Leben“ ist nicht mit blassblauer Tinte auf rosa Papier geschrieben, hier schreibt ein Mensch das Protokoll seiner Krise auf.

Toni Lehmstedt begegnet sich selbst

Im Kern ist es die Begegnung der Toni Lehmstedt mit sich selbst, der schmerzhafte Prozess eines Aufbruchs zu sich selbst. So zwangsläufig wie selbstverständlich startet der Film in der Rehabilitations-Einrichtung. Warum kommt Toni Lehmstedt hierher, was hat zum Zusammenbruch geführt? Da ist das Leben der Tochter eines heiklen Elternhauses, einer problematischen Mutter-Tochter-Beziehung, die große Liebe zu einer Frau, die Stationen von steiler Karriere – jüngste Professorin Deutschlands – zu massivem Zusammenbruch, zu therapeutischen Sitzungen und Gesprächen; die Erfahrungen in der Gruppe schwanken zwischen Tragik und Komik. Es braucht sehr sicheres Gefühl, wann es aus dem Vergangenen in die Gegenwart geht – und zurück. Die Zeitläufte sind aufgehoben, die Handlung springt durch Zeit und Raum.

Dramaturgie entscheidet. Sie muss die Assoziationen der sich erinnernden Toni mit der kausalen Passion ihres Burnouts verbinden, die Dynamik der Therapie mit der Statik eines Menschen im Stillstand. Diesem Film gelingt das. Es gelingt ihm, weil das Buch von Laila Seiler eine tragfähige Konstruktion bietet, weil Urs Egger eine inszenatorische Strategie für Räume und Figuren, für Emotionen und Absolutionen findet. Es geht vom Scheitern einer angeblich equilibistrischen Lebensführung hin zum Führen eines Lebens im Gleichgewicht. Ein Leben wird zerlegt, um neu beginnen zu können.

Mit Effizienzdenken gegen die Wand

Marie Bäumer spielt die Frau über den Rand des Nervenzusammenbruchs hinaus, die junge, erfolgreiche Professorin für Ozeanografie, die sich in eine Klinik für psychische Erkrankungen katapultiert. Gewohnt lösungsorientiert fordert Toni von ihrer Ärztin eine schnelle Heilung. Doch mit diesem Effizienzdenken geht es direkt an die Wand. Die Bäumer bringt dieses dicht verfugte Leben und Denken zum Platzen. Ihr menschenkluges Spiel hat unbedingte Ehrlichkeit, eine große Ausdrucks- und zugleich eine große Sogkraft. Beides zusammen lässt den Zuschauer nicht los, er beginnt ihr, der Toni Lehmstedt, die Daumen zu drücken.

Drei Frauen sind ihr in besonderer Weise nahe: die Lebensgefährtin Maria Schwarz (Christina Hecke), die Mitpatientin Steffi Gabelsberger (Annette Paulmann) und die eigene Mutter (Jutta Wachowiak). Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind hier versammelt, das Fragile der Beziehung, die Herausforderung der distanzlosen Steffi, die heikle Nähe und Ferne zur Mutter, die im Sterben liegt. Das macht den Film so intensiv und in zahlreichen Momenten so prekär: Toni Lehmstedt ist auf der langen Flucht zu sich selbst.

Und wenn ein Film in den weiteren Nebenrollen mit Hanns Zischler, Joachim Bißmeier und Antoine Monot, jr., besetzt ist, dann ist klar: „Brief an mein Leben“ will unbedingt überzeugen.

„Brief an mein Leben“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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