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Kein TV-Duell. Vor den Parlamentswahlen in Großbritannien wird es kein direktes Aufeinandertreffen der konservativen Premierministerin Theresa May mit ihrem stärksten Konkurrenten Jeremy Corbyn geben. Die Politiker gehen lieber in TV-Debatten, wie hier Labour-Chef Corbyn (Zweiter von links) bei einer BBC-Veranstaltung in Cambridge.

© dpa

Britische Medien in der Glaubwürdigkeitsdebatte: „Es gibt ein Klima des Misstrauens“

Auch BBC Global News kämpft um Glaubwürdigkeit und gegen Fake News. Ein Interview mit CEO Jim Egan.

Herr Egan, am 8. Juni wird in Großbritannien ein neues Parlament gewählt. Wie wird BBC Global News darüber berichten?

Unsere Aufgabe ist es, von Geschichten umfassende Perspektiven anzubieten, die auch für den Rest der Welt interessant sind. Bei den Wahlen werden wir natürlich die großen Events übertragen wie zum Beispiel TV-Debatten mit Premierministerin Theresa May und Oppositionsführer Jeremy Corbyn sowie die Ergebnissendung mit dem legendären David Dimbleby und unserem fantastischen Politikteam. Im Laufe der nächsten Wochen wird unsere Aufgabe sein, die Wahlen zu erklären und welche Folgen sie für unsere Zuschauer in der ganzen Welt haben könnten.

Wird es für diese Wahl auf verschiedenen Kanälen Neuerungen geben?

Seit den letzten Wahlen vor zwei Jahren haben wir neue Wege entwickelt, um mit unserem Publikum zu kommunizieren. Wir nutzen jetzt regelmäßig Facebook-Livestreams, um unseren Interviews eine neue Dimension zu geben und unterschiedliche Zuschauer zu erreichen. Wir haben vertikale Videos für mobile Telefone eingeführt, was Newsroom-Teams erfordert, die Geschichten auf eine andere Art sehen und erzählen. Während des EU-Referendums haben wir Snapchat als Plattform entdeckt, um bei TV-Debatten ein jüngeres Publikum zu erreichen. Zudem haben wir maßgeschneiderte Inhalte für unsere 41 Millionen Facebook-Fans und fast vier Millionen Instagram-Followers entwickelt wie zum Beispiel den BBC-Politik- Facebook-Messenger-Bot.

Gibt es TV-Duelle wie in Deutschland?

TV-Duelle sind in Großbritannien relativ neu. Die BBC und die anderen wichtigen TV-Sender veranstalten mehrere Wahl-Debatten in unterschiedlichen Formen. Premierministerin Theresa May hat es abgelehnt, in einer Debatte aufzutreten, was bedeutet, dass Jeremy Corbyn ebenfalls abgesagt hat. Beide werden jedoch der BBC Einzelinterviews geben und einzeln in Debatten auftreten. Andere Veranstaltungen beinhalten eine Live-Debatte mit Vertretern der wichtigsten politischen Parteien des Wahlkampfs. Es wird zudem im Land eine ganze Reihe Debatten geben, in denen die Bevölkerung die Möglichkeit hat, Politikern Fragen zu stellen.

Für die Brexit-Entscheidung werden zu großen Teilen die britischen Medien verantwortlich gemacht. Gibt es auch in Großbritannien eine Glaubwürdigkeitsdebatte?

In vielen Ländern, die sich selbst zuvor als Bastion der Demokratie und Heimat der Pressefreiheit gesehen haben, gibt es ein generelles Klima des Misstrauens gegenüber den Massenmedien. Und ja, das stellt ein Risiko für Nachrichtensender dar. Aber die BBC ist noch immer der weltweit vertrauenswürdigste internationale Nachrichtensender, und wir haben diese Position bewahrt, indem wir unseren Werten seit fast 100 Jahren treu geblieben sind. Unsere Unabhängigkeit, unsere Genauigkeit und unser stringentes Storytelling sind keine altmodischen Werte, sie sind unglaublich aktuell und bieten einen klaren Grund, warum unsere Berichterstattung bevorzugt wird.

Die BBC unterhält seit über zehn Jahren ein User Generated Content Hub (UGC) als Verifikationsinstanz in einem Newsroom. Wie funktioniert das?

Als das UGC vor elf Jahren gestartet ist, sah die Welt noch anders aus. Da waren Schreibtisch und Fernsehen King. Mit der zunehmenden Ausbreitung von Smartphones und Social Media geht es nicht mehr hauptsächlich um das Sammeln von Bildern und darum nachzuweisen, ob sie echt sind, sondern darum, im Team den Zusammenhang mit der Story herzustellen und daraus Inhalte zu kreieren. Ein Großteil unserer Journalisten ist dafür ausgebildet, in ihrer Nachrichtenrecherche vollen Gebrauch von den sozialen Netzwerken zu machen und gleichzeitig die redaktionellen Richtlinien einzuhalten. Natürlich ist die genaue Untersuchung von Bildmaterial unschätzbar wichtig für komplexe, vielschichtige Geschichten wie die Luftangriffe auf Syrien. Unser Fachwissen hilft, der Wahrheit auf den Grund zu kommen und dem Publikum das gesamte Bild zu zeigen.

Jim Egan ist CEO von BBC Global News. Der Sender ist in mehr als 200 Ländern zu empfangen und erreicht nach eigenen Angaben 433 Millionen Haushalte und 1,8 Millionen Hotelzimmer.
Jim Egan ist CEO von BBC Global News. Der Sender ist in mehr als 200 Ländern zu empfangen und erreicht nach eigenen Angaben 433 Millionen Haushalte und 1,8 Millionen Hotelzimmer.

© BBC

Im Kampf gegen Fake News hat die BBC schon bei den UK-Wahlen im Jahr 2010 einen sogenannten Reality Check benutzt. Trotzdem haben sich beim Referendum die Brexitbefürworter mit Versprechungen durchgesetzt, die nicht der Realität entsprechen.

Es wurden ja von beiden Seiten – für und gegen den Brexit – verschiedene Informationen verbreitet, und die Nachrichtenorganisationen haben realisiert, dass mehr getan werden muss, um „alternative Fakten“ zu bekämpfen. Deshalb haben wir den Reality Check dauerhaft eingerichtet, mit einem eigenen Redakteur samt Team. Aber der Wahrheitscheck ist nur ein Element. Der Kampf gegen Fake News ist ein zentrales Ziel der BBC für 2017, und obwohl wir nicht das gesamte Internet nach seinem Wahrheitsgehalt checken können, wollen wir auch nicht beiseitestehen. Langsame Nachrichten bedeuten eine tiefere Beschäftigung mit Themen – mit Daten, Investigationen, Analysen und Fachwissen –, um den Kontext um Themen herum zu erklären und darzulegen.

Seit 2016 berichtet BBC Global News vermehrt über Deutschland. Soll das Angebot ausgebaut werden?

Deutschland bleibt für uns ein Kernmarkt. Ende Mai hat die BBC-Global-Publikumsmessung ergeben, dass das wöchentliche BBC-Nachrichtenpublikum in Deutschland um über ein Drittel von 1,3 Millionen auf 4,9 Millionen gewachsen ist. Deutschland ist tatsächlich der drittgrößte Markt für den englischsprachigen BBC World Service und damit größer als der britische. Deutschland ist aufgrund seiner Position in Europa und der Welt auch für unser weltweites Publikum interessant, was sich in unserer Berichterstattung im BBC World Service widerspiegelt; ob es nun saisonal ist wie „Germany Direkt“ im Jahr 2016 oder unser tägliches Bulletin. Wir arbeiten bereits an Plänen, wie wir über die Bundestagswahlen im September berichten.

Was ändert sich für BBC Global News nach dem Brexit?

Es gibt noch viele Unbekannte darüber was passiert, wenn Großbritannien die EU verlassen hat, und es wäre nicht klug, darüber zu spekulieren. Wir haben aktuell keine Pläne, etwas zu ändern, weder bezüglich der Berichterstattung, noch auf unternehmerischer Seite. Wir werden uns anschauen, auf welche unterschiedlichen Arten das EU-Referendum die Welt beeinflusst und unserem Publikum die Zusammenhänge erklären, wo immer es auch ist.

Das Interview führte Sabine Sasse.

Jim Egan ist CEO von BBC Global News. Der Sender ist in mehr als 200 Ländern zu empfangen und erreicht nach eigenen Angaben 433 Millionen Haushalte und 1,8 Millionen Hotelzimmer.

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