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Der künftige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Bundespräsident?"

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Update

Bundespräsidentenwahl-TV: Mehr Mut, bitte

Ziemlich viel Staats-TV: Zahlreiche Sender übertragen die Wahl des Bundespräsidenten

Macht Journalismus das künftig so im Gespräch im Politik? Kapert Tweets und Posts von verdrossenen Bürgern, um damit zweierlei zu erreichen: zunächst Nähe zum Zuschauer zu simulieren und, zweitens, den Politiker via „Volk“ in die Enge zu treiben. In der ZDF-Sendung „Was nun, Herr Bundespräsident?“ sind Hauptstadtstudiochefin Bettina Schausten und Chefredakteur Peter Frey so verfahren. Die Bundesversammlung wurde zum „Zirkus“ degradiert, Frank-Walter Steinmeier zum Establishment-Politiker „komplimentiert“. Der designierte Bundespräsident antwortete nüchtern, keineswegs defensiv; dabei half ihm auch sein Sprachduktus, so viele Haupt- und Nebensätze zu verknüpfen, bis die eigentliche Aussage fast weggesprochen ist.
Vom fragwürdigen Fragemodell abgesehen, wirkten die ZDF-Journalisten im Vergleich mit dem ARD-Gesprächsformat „Farbe bekennen“ aggressiver, zupackender – wie auch Steinmeier selbst. Im Ersten wurden erwartbare Fragen und erwartbare Antworten abgespult, im Zweiten konnte mit dem Stilmittel der „Ergänzungsfragen“ eine andere Gesprächsspannung aufgebaut werden, Überraschung lag in der Luft. Vorteil in der ARD: Tina Hassel und Rainald Becker hatten sich mehr auf den künftigen Bundespräsidenten eingestellt, während das ZDF-Duo sehr lange den SPD-Parteipolitiker-Außenminister am Tisch zu haben glaubte.

ZDF zeigt Mut, falschen Mut

Es war solide Arbeit, was ARD, Phoenix, aber auch die privaten Nachrichtenstationen zuvor bei der Übertragung der Bundesversammlung über Stunden, bei Technik und Personal gezeigt hatten. Die Probleme für ein spannungsgeladenes Programm waren für alle involvierten Sender identisch. Einen Adrenalinschub gab es nur bei der Bekanntgabe des Wahlergebnisses und bei Steinmeiers Antrittsrede, der ganze große Rest war der ehrenwerte Versuch, mit einer großen Zahl an Gesprächspartnern, mit möglichst individuellen Bildern und Aspekten, mit Reaktionen und eigenem Kommentar das Interesse des Publikums nicht nur zu wecken, sondern hochzuhalten. Kein Mut, wie ihn der neue Präsident verlangt? Das ZDF, ausgerechnet, zeigte ihn, als sich das Zweite nach einer Dreiviertelstunde aus der Bundesversammlung zugunsten des Wintersports verabschiedete. Gegen 14 Uhr war das Zweite wieder im Reichstag, noch vor der Nationalhymne drängte es wieder zum Wintersport. Sport ist Präsidentenmord ... Im Insgesamt des Bundespräsidentenwahl-TVs war das erst mal kein Verlust, die Alternativen waren da und zahlreich. Aber: Kann, darf ein öffentlich-rechtliches Programm sich diesem Ereignis entziehen, es portionieren und skalieren nach Maßgabe sportiver Unterhaltung? Die Entscheidung ist fragwürdig, die Bundesversammlung ist eine geschlossene Veranstaltung mit Anfang und Ende, was ein Best-of-Wahl-TV ausschließt.

Wer ist Engelbert Sonneborn?

Die übertragenden Sender hatten alles geplant und in eine Choreographie übersetzt. Zugleich zeigten sie sich überrascht, als mit Engelbert Sonneborn ein weiterer Kandidat auftauchte. Der Vater des Satirikers und „Partei“-Politikers Martin Sonneborn kam offensichtlich wie Kai aus der Kiste. Im Vorstellungsreigen der Kandidaten – Frank-Walter Steinmeier (SPD), Albrecht Glaser (AfD), Alexander Hold (Freie Wähler im Bayerischen Landtag), Christoph Butterwegge (Die Linke) – fehlte er fast durchgehend. Da wäre und hätte mehr drin sein müssen.
Auch wäre es dynamischer und erfrischender gewesen, weniger Politiker vor die Mikrofone zu holen. Was beispielsweise die Schauspielerinnen Iris Berben und Veronica Ferres aus dem Rund der Wählerinnen und Wähler zu sagen hatten, war als „Volkes Stimmen“ hörenswert. Weniger Staats-TV und mehr Volks-TV – das wäre in der Summe besseres Polit-TV.

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