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Auf der Flucht: das aktuelle Cover des Satiremagazins „Charlie Hebdo“.

© dpa

"Charlie Hebdo" - ein Jahr danach: Der mordende Gott

„Charlie Hebdo“ bringt am Mittwoch eine Sonderausgabe zum Jahrestag des Anschlags auf die Satirezeitung. In einem Themenabend beleuchtet Arte heute die Auswirkungen der Terror-Anschläge von Paris.

Die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ hat für ihre Sonderausgabe ein Jahr nach dem blutigen Anschlag auf ihre Redaktion erneut eine provokative Titelseite gewählt. Über das Cover rennt ein blutverschmierter Gott mit einer umgehängten Kalaschnikow, dazu die Überschrift: „Ein Jahr danach: Der Mörder ist noch immer auf der Flucht.“ Gezeichnet hat die Karikatur „Charlie Hebdo“-Chef Riss alias Laurent Sourisseau. Die 32-seitige Sonderausgabe mit einer Auflage von einer Million Exemplaren kommt am Mittwoch in die Kioske, einen Tag vor dem Jahrestag des Anschlags. Von der Sonderausgabe sollen 50.000 Exemplare in Deutschland verkauft werden, die Verkaufserlöse den Angehörigen der Todesopfer des Attentats zugute kommen, teilte der deutsche Vertrieb IPS mit. Die übliche in Zeitungsläden verkaufte Auflage der wöchentlich erscheinenden Satirezeitung liegt bei 100.000 Stück, davon werden etwa 10.000 ins Ausland geliefert. Inzwischen hat „Charlie Hebdo“ 183.000 Abonnenten.

Wie es in diesen Tagen bei „Charlie Hebdo“ aussieht, schildert der „Guardian“. Die Redaktion residiere in „hermetisch abgeschlossenen“ Redaktionsräumen“, schreibt Robert McLiam Wilson, Mitarbeiter der Zeitschrift. Die Lage des neuen Büros sei „supergeheim“, innen gehe es aber noch immer zu wie bei einem kleinen Magazin, inklusive unordentlicher Küche.

Schwerbewaffnete Islamisten hatten die Redaktion der für ihre Mohammed-Karikaturen bekannten Satirezeitung am 7. Januar 2015 gestürmt, sie töteten bei dem Angriff zwölf Menschen, darunter die bekannten „Charlie Hebdo“-Zeichner Charb, Honoré, Cabu, Wolinski und Tignous. Eine Woche nach dem Anschlag brachten die Überlebenden der Redaktion eine neue Ausgabe heraus. Auf dem Titelbild wurde ein weinender Prophet Mohammed abgebildet, der unter der Überschrift „Alles ist vergeben“ ein Schild mit der Solidaritätsbekundung „Je suis Charlie“ hält.

Können noch mehr Berge versetzen als der Glaube der Gläubigen

Der mordende Gott auf dem Cover der nun erscheinenden „Charlie Hebdo“-Ausgabe erinnert eher an den Gott der Christen. Im Leitartikel verteidigt Zeitungschef Riss Atheismus und Laizismus, die Trennung von Staat und Religion, und verurteilt die „vom Koran abgestumpften Fanatiker“ und die „Frömmler anderer Religionen“, die der Satirezeitung den Tod gewünscht hätten, weil diese „gewagt“ habe, über Religion zu lachen. „Die Überzeugungen der Atheisten und der Laizisten können noch mehr Berge versetzen als der Glaube der Gläubigen.“

Riss ist einer der Zeitzeugen, die in einem Arte-Themenabend die Auswirkungen auch der Anschläge vom 13. November in Paris beleuchten, bei denen über 130 Menschen starben. Wie konnte es zu einer solchen Radikalisierung kommen? Wie hat sich die Strategie der islamistischen Terroristen verändert, wie wirkt sich der Kampf gegen den Terrorismus auf unsere Gesellschaft aus?

Darauf suchen Terrorismus-Experten und Historiker Antworten. Eindringlich wird die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft, die Verlagerung der Terrorgefahr beschrieben. Es waren „Kinder unser Republik, Opfer der Ungerechtigkeit des Staates“, die die Attentate ausführten, sagt die Philosophin Elisabeth Badinter.

Sehenswert dazu auch die französische Dokumentation „Dschihad: Der Kampf der Mütter“ (Arte, 21Uhr 50). Der 19-jährige Sabri hat sich als Dschihad-Kämpfer nach Syrien abgesetzt. Drei Monate später ist er tot. Seine Mutter will das Schweigen brechen. Gemeinsam mit anderen betroffenen Eltern nimmt sie den Kampf gegen die Indoktrinierung ihrer Kinder durch den IS auf. (mit AFP)

„Je suis Charlie, je suis Paris“, Themenabend, Dienstag, Arte, ab 20 Uhr 15

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