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Medien: Comic-Helden: Superman schmiert ab

"Päng!" Superman hat es erwischt.

"Päng!" Superman hat es erwischt. Sein Cape verfärbt sich dunkelrot. Und Mickey Mouse wiegt dazu den übergroßen Kopf auf einem kleinen Kinderskelett. Seit Freitag kann man die postmodernen Mutationen der Kinderzimmer-Helden auf dem Comicfestival "Fumetto" in Luzern bewundern. Zitate des bunten Comic-Universums bevölkern die panelsprengenden Werke. Respektlos, doch liebevoll zugleich dekonstruieren viele der "Fumetto"-Künstler den Heldenmythos. Helden? Helden!

M.S. Bastian, schon in den vergangenen Jahren oft Gast bei "Fumetto", stellt sich selbst dar als Tim, der Blondschopf von Hergé, Untertitel "Selbstbildnis im Atelier". Die Schöpfer der Avantgarde-Comics sind aus ihrer Anonymität herausgetreten. Die heutigen Künstler verweben die Charaktere eng mit ihren eigenen Biografien. Bei Fil, Berlinern bekannt durch seine "Zitty"-Comics Didi & Stulle, wird sein eigenes Kindheitsrevier, das Märkische Viertel, zum Spielplatz seiner Figuren. Auch Julie Doucet, als eine der bekanntesten Vertreterinnen des kanadischen Verlages Drawn & Quarterly auf dem Festival anwesend, und die als Stargast gefeierte Anke Feuchtenberger gehören zur Vielzahl der autobiografisch arbeitenden Comic-Künstler. Ihre Figuren verharren nicht in der Geschlechts- und Alterslosigkeit, die Helden vorgeschrieben ist. Sie sehnen sich nach einer Identität.

Die klassischen (Comic-)Helden lebten in einer Welt zwischen den Welten. Sie bezogen ihren medialen Heldenstatus und ihre Macht durch einen Verweis auf einen Bereich außerhalb der Kultur, auf das andere, auf Tier oder Gott. Insofern waren Helden von jeher Zwitterwesen. In Telefonzellen oder anderen versteckten Orten streifte sich Superman immer wieder sein klägliches Dasein als kurzsichtiger Reporter Clark Kent ab. Sein hautenges blaues Kostüm, ergänzt durch roten Slip, Cape und dem "S" auf der Brust, verlieh ihm göttliche Kraft. Superman war der klassische Comic-Held, ein Über-Mensch, Prototyp einer endlosen Reihe von Helden, die entstanden sind im Kontext des Krieges.

Superman fängt Hitler

Auch wenn Helden in ihrem Wesen geschichtslos sind, agieren sie doch immer vor dem Hintergrund historischer Zusammenhänge. Hitlers Truppen besetzten Europa, und in Amerika verunsicherten enorme Arbeitslosenzahlen die Bevölkerung. Da trat Superman auf - personifizierte nationale Stärke und Erlösung. Manche der Titelbilder zeigten Hitler und Goebbels in den Fängen von Superman. So war das Ende des Zweiten Weltkrieges auch für Superman das Ende seiner Funktion als "Weltensoldat". Er überlebte in anderen Rollen.

Doch auch der Kalte Krieg ernährte viele Superhelden und die sie präsentierenden Medien. Seit der McCarthy-Ära tummelten sich so viele Kommunisten in den Marvel-Comics, dass der Verlag zu deren Bekämpfung immer mehr Superhelden ausstieß. In den folgenden Jahren beschäftigte dann die territoriale Verlagerung des Kalten Krieges, der Wettlauf zum Mond, die Helden. Als Neil Armstrong seinen Stiefel auf den Mond setzte, war das Weltall schon bevölkert von einer Vielzahl von Weltraumhelden, von Flash Gordon bis zum Silver Surfer.

Doch die klare Polarisierung von Gut und Böse, die Superhelden brauchen, ist heute verschwunden. Der Krieg ist vorbei. Die klassische (Welt-)Kontrolle wurde zunehmend zur Beherrschung des eigenen Körpers. Der Held verwandelte sich nicht mehr in ein Tier, wie Batman, Spiderman und "The Incredible Hulk". Seine Bezugswelt ist heute die Welt der Maschinen. Die Inkarnation dieses Heldentypus ist Arnold Schwarzenegger, der schon in seinem Bodybuilding-Film "Pumping Iron" zum Titelsong "Everybody wants to be a hero" seine Muskeln bewegte. Schwarzeneggers Biografie liest sich wie eine Real-Life-Parabel der Helden-Transformation: ein Zeitraffer vom klassischen zum posthumanen Helden. Seinen ersten Filmauftritt hatte er 1970 in "Hercules in New York". Bis Mitte der achtziger Jahre spielte Schwarzenegger subhumane Helden. Seine erste Glanzrolle in Hollywood war "Conan der Barbar", Spielfilmadaption eines erfolgreichen Marvel-Comics.

Mensch und Maschine

"Terminator" von James Cameron (1984) markierte eine Wende in seiner Heldenbiografie: Der Beginn seiner Karriere als Maschinenmensch. Ein wirklicher Held wurde der Terminator alias Schwarzenegger jedoch erst 1991 in "Terminator II". Er bezog seine Heldenhaftigkeit wiederum aus einem Zwitterstatus, der Überlegenheit und der Unverwundbarkeit der Maschine einerseits und wahrhaft menschlichen Gefühlsregungen auf der anderen Seite.

"Hasta la vista, baby" - die Underground-Comics, die in Luzern zu sehen sind, haben sich von diesem Heldenentwurf radikal verabschiedet. Ihre Charaktere haben die standardisierten Kostüme der Helden abgestreift. Nur die eine Hälfte der typischen Doppelexistenz von Helden, die Verwurzelung im Alltäglichen, scheint den Protagonisten der Avantgarde-Comics geblieben zu sein: die Rolle der Alltagshelden, der Antihelden, der Verlierer. Helden wie wir.

Regina Voss

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