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Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

© Federico Gambarini / dpa

Corona-Talk bei „Anne Will“: Nach dieser Sendung wird Laschet niemals Kanzler

Beim Thema Corona-Lockerungen zeigte sich in der Talkshow, dass der NRW-Ministerpräsident so sehr Kanzler werden will, dass er es nie wird. Eine TV-Kritik.

Vielleicht muss man schon froh darüber sein, dass Anne Will an diesem Sonntagabend keine so genannten Journalisten eingeladen hat. Die haben in den vergangenen Tagen gerne behauptet, wir würden in einem Polizeistaat leben. Es sind Menschen die seit Wochen „Fragen haben“, die angeblich die Demokratie und den Rechtsstaat betreffen. Es gibt auch so manche unter ihnen, die immer noch als „One-Trick-Pony“ ihrem einzigen publizistischem Thema auf Teufel komm raus einen geilen Corona-Twist geben wollen.

Die Texte und Tweets dieser „Kolleginnen und Kollegen“ schreien mit jedem dämlichen Adjektiv danach, von Anne Will eingeladen zu werden. Dass sie das aber immer noch nicht getan hat, ist im Prinzip schon eine Leistung. Denn es wird langsam schwierig, wenn man jeden Sonntag irgendwelche Menschen in seine Talkshow setzen muss, in der es seit Wochen eher monothematisch zugeht.

„Anne Will“ überzeugte mit Unterhaltungsfernsehen

Es ist wahrscheinlich schon schwer genug, sich alle sieben Tage einen neuen Titel auszudenken - diesmal lautete er: „Sorge vor zweiter Infektionswelle – lockert Deutschland die Corona-Maßnahmen „zu forsch““? Und auch wenn das Wort „forsch“ in den ersten zehn Minuten unangemessen oft fiel, überzeugte „Anne Will“ dieses Mal unter den Aspekten des Unterhaltungsfernsehen. Denn im Grunde genommen ist es ja nicht mehr - aber auch nicht weniger.

Das lag vor allem daran, dass Armin Laschet, der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, so sehr Kanzler werden will, dass er nach dieser Sendung niemals Kanzler werden wird.

Das wiederum lag nicht daran, dass er einmal von sich in der dritten Person sprach und irgendwann das Wort „aufgoogeln“ erfand („Sie können die Bilder aufgoogeln!“). Es lag vielmehr daran, dass er in höchster Emotionalität einen Null-Satz nach dem anderen hängte. Damit begann er schon vor Wochen, als er sagte, es gehe „um Leben und Tod“.

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Laschet fegt fast die Wassergläser vom Tisch

Bei „Anne Will“ machte er weiter, allerdings mit dem Gegenteil. Er schimpfte auf die „großen Infektionsdebatten“. Wenn er dabei für „Abwägen“ plädierte, dann machte er Arm- und Handbewegungen, die die Wassergläser vom Tisch gefegt hätten, wenn auf dem Tisch im Studio noch Wassergläser stehen würden. (Interessant, wie sehr man sich als Fernsehzuschauer bereits an den Wegfall solcher Details gewöhnt hat, wie auch an das Fehlen des Studiopublikums, das hoffentlich auch nicht wiederkommt). Und selbst wenn Laschet nur nickte, dann erinnerte das an das Vorsprechen einen Laiendarstellers, der wegen seines Nickens die Rolle nicht bekommt.

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Christian Lindner zum Beispiel kann viel besser nicken - noch besser konnte Lindner allerdings in der Sendung Anne Will mit „Frau Will“ ansprechen und Vorschläge machen. Die machte er in der Sendung sehr oft, unter anderem zu „Hygienekonzepten“ und zu „regionalem Vorgehen“. Einmal wollte er den Unterschied zwischen einem Möbelhaus und einem Autohaus erklärt bekommen und wusste zu berichten, dass Arbeitslosigkeit der Seele weh tut.

Hintergrund zur Corona-Krise:

Karl Lauterbach, oberster Arzt der SPD, widersprach Lindner und Laschet vehement, einmal wehrte sich Lindner mit dem Satz „Das ist nicht meine Position“, woraufhin Lauterbach sagte: „Hört sich aber so an.“ Schöner wurde das Prinzip Talkshow während einer Talkshow noch nie dargestellt.

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Wie verbrachte eigentlich Anne Will den Abend? Sie hat ja seit einiger Zeit bereits ihrer Moderation eine angenehme Art der Lässigkeit hinzugefügt. Gleichzeitig nimmt sich Will immer mehr zurück, wodurch sie tatsächlich noch präsenter erscheint. Sie ist längst zu einer Gastgeberin geworden, die den Raum und die Zeit zur Verfügung stellt, dann bei den Gästen die richtigen Knöpfe drückt - alles andere passiert dann wie von alleine.

Gestern wollte nach einer halben Stunde die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock kurz die Moderation übernehmen. Dabei war sie als Gast bereits eine gute Besetzung, weil sie sich mit Laschet und Lindner anlegte. Will geriet selten aus der Fassung. Außer einmal, als Laschet erzählte, seine Schulministerin habe Seife besorgt. Da konnte sich Will ein Lachen kaum verkneifen.

Laschet will gar nicht mehr sprechen

Vielleicht merkte Laschet schon während der Sendung, welchen Schaden er sich selber zufügt. Nach 50 Minuten wollte er zur Sendungskritik ausholen, man würde ja immer nur über dasselbe sprechen. Aber in dem Moment wurde vor allem klar, dass er nicht mehr sprechen will und auch nicht mehr sprechen kann. Die Frage von Anne Will, ob es eine gute Idee sei, die Fußballbundesliga am 9. Mai wieder beginnen zu lassen, wollte er dann auch nicht mehr beantworten.

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Für ihn übernahm Lindner, seine Antwortet lautete „ja“. Baerbock wollte dann wissen, warum Fußball und nicht Handball, und Lindner meinte, der Handballbund sei leider nicht so „kapitalstark“ - als ob es generell eine gute Idee wäre, wenn man sich von Corona freikaufen könne.

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Baerbocks verpasste Chance gegen Lindner

Baerbock ließ das nicht gelten. Und dann sagte Lindner, sie würde jetzt gerade so tun, als gäbe es eine zentrale Instanz, „die das jetzt alles entscheidet.“ Leider verpassten es Baerbock und der Rest der Runde, dem FDP-Vorsitzenden zu erklären, dass es so eine zentrale Instanz bereits gibt. Man nennt sie gemeinhin Staat.

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Dann war es vorbei und die größte Überraschung des Abends war vielleicht doch nicht die Selbstdemontage von Armin Laschet oder der aus den Fugen geratene Liberalismus-Begriff von Christian Lindner. Die größte Überraschung war, dass diese Talkshow funktioniert hat.

Jedenfalls als das, was eine Talkshow sein sollte: Als Unterhaltungsformat und nicht als der Ort, in dem Dinge entschieden werden oder in dem die Eingangsfrage am Ende schlüssig beantwortet wird. Die hatten alle Beteiligten nach ein paar Minuten eh vergessen.

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