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Medien: Das Misstrauensvotum

Das ZDF-„Kanzleramt“ verlässt mit einer Doppelfolge die TV-Bühne

Am Ende muss es ganz schnell gehen: Mit großem Gewese vom ZDF angekündigt, läuft nun im Schatten des Finales beim Confed-Cup sang- und klanglos die Serie „Kanzleramt“ aus. Mit einer Doppelfolge, denn dann tut die Quote nur noch einmal weh. Jedenfalls ist die aufwendig produzierte, mit Staraufgebot in Szene gesetzte und enorm großem Werbeaufwand über die Rampe gebrachte Produktion klar gefloppt. Gerade 2,34 Millionen Menschen haben sich die Folgen im Durchschnitt angesehen, was einem dürftigen Marktanteil von weniger als acht Prozent zur Prime Time entspricht.

Haben die Skeptiker also Recht behalten, die immer schon wussten, dass Politik und Fernsehunterhaltung nicht zusammengehen wollen? Zumindest nicht in Deutschland? Für die Programmverantwortlichen, die ihr Scheitern längst eingeräumt haben, wird dies die Antwort sein. Ehrenhaft der Versuch wider alle Erfahrung, aber es konnte eben nicht funktionieren. Womit alle Gewissheiten der Fernsehmacher unangetastet bleiben könnten und eine wohlfeile Entschuldigung zugleich gegeben wäre.

Wenn sonst schon nichts, dann könnte wenigstens eine Erfahrung irritieren, die nämlich einen mindestens so sicheren Lehrsatz der Programmverantwortlichen erschüttert hat. Vor zwei Wochen strahlte das ZDF nämlich einen anderen Mehrteiler aus, der gleichfalls den gängigen Maximen zufolge nie und nimmer hätte funktionieren dürfen: eine Dokumentation über den „Fall Deutschland“, in dem etwas für das Fernsehen eigentlich ganz und gar Ungängiges zu aller Überraschung vorzügliche Zuschauerquoten erzielte: Wirtschaft und Zeitgeschichte diesseits der knoppisierbaren Hitlerei. Durchschnittlich 13,9 Prozent Marktanteil erreichte die Darbietung dieser schweren Kost über den Niedergang der deutschen Wirtschaft und das Ende der Chimäre eines „Wohlstands für Alle“, und dieses Mal saßen insbesondere erstaunlich viele junge Leute vor dem Fernseher, mehr als doppelt so viel wie zu dieser Sendezeit üblich.

Das Unmögliche kann also funktionieren, auch in Deutschland (woanders erwiesenermaßen sowieso). Warum nicht auch in der Unterhaltung? Man muss nur die Vorteile des Fiktionalen voll ausspielen. Also: Nicht langweiliger als die Wirklichkeit sein, nicht braver, nicht lieber, nicht konventioneller. Und man sollte sich konsequent dem Vergleichbaren, dem mit der Realität Verwechselbaren entziehen. Denn die ist immer wieder zu Verblüffungen und Überraschungen im Stande, über die die Macher des ZDF-„Kanzleramtes“ nur staunen können. In diesen Tagen sieht man das wieder einmal überdeutlich.

„Kanzleramt“, ZDF, heute, Folge 11, 20 Uhr 15, letzte Folge 12, 21 Uhr

Peter Siebenmorgen

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