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Medien: „Das Risiko hat zugenommen“

N24-Reporter Ralf Finke über Afghanistan und den Krieg als Job

Herr Finke, sie waren in Afghanistan, kennen das Land. War es leichtsinnig von den beiden Deutsche Welle-Mitarbeitern, ohne Begleitschutz zu reisen und wild zu zelten?

Ich weiß nicht, unter welchen Umständen die Kollegen dort gearbeitet haben. Afghanistan ist gefährlich, das Risiko hat eher zu- als abgenommen. Es geht nicht nur um die Taliban, es geht um Warlords, Drogenkämpfe und um ganz gewöhnliche Kriminelle. In solch einer Situation muss man sich absichern.

Wie kann man sich konkret schützen?

Sie müssen Informationen sammeln, permanent. Sie brauchen vertrauenswürdige Informanten, müssen mit Einheimischen reisen. Ohne Kontakt zur ISAF sollte man sich dort nicht bewegen. 100-prozentigen Schutz gibt es aber nie.

Wie verdrängen sie bei der Arbeit die Gefahr, zu sterben? Geht das überhaupt?

Ich war mal in einem Konvoi dabei in Richtung Kabul: vorne die Nordallianz, dahinter 30 Journalistenautos. Über den Hindukusch in 30 Stunden, eine Pinkelpause. Irgendwann haben sie in den Bergen auf uns geschossen, versprengte Taliban. Pure Panik. Mein Fahrer hat Vollgas gegeben. Als ich in Kabul aussteige, sehe ich direkt hinter mir in der Ladefläche vier Einschusslöcher. Das war sehr knapp. Davon träume ich heute noch.

Ihre schlimmste Erinnerung?

In Osttimor, als die Guerillas mit den Köpfen der Opfer Fußball spielten. Das sind Bilder, die vergisst man nie, die werden auch niemals gesendet.

Haben sie sich schon mal gefragt: ‚Warum mache ich das eigentlich?’

Nein, nie. Ich war in Bosnien, Kosovo, Afrika, Afghanistan, Pakistan, zuletzt in Israel. Trotzdem geht mir das alles schon nah. Wenn ich im Kosovo neben einer Oma stehe, die ihre Söhne und Enkel in einem Massengrab sieht, da kommen mir auch die Tränen. Ich verstehe es gut, wenn in einem israelischen Bunker alle besoffen sind vor Angst.

Sie meinen sehr ängstlich?

Nein, sehr betrunken. 19 Erwachsene auf 40 Quadratmetern, seit Wochen. Was würden sie machen? Die sind aus Angst nur noch raus, um frische Luft zu schnappen.

Tragen sie bei der Arbeit eine Waffe?

Nein.

Welche Währungen haben sie bei sich?

Dollar, damit kommt man durch. Einmal musste ich in Afghanistan ein neues Radio kaufen. Der Mann wollte 40 000 Afghani, etwa acht Dollar. Ich hatte nur Dollar. Er: „Egal, ich nehme auch 40 000 Dollar.“ Das Problem sind Amerikaner und Asiaten. Die zahlen fast jeden Preis.

Kriegen sie auch die besten Geschichten?

Nein. Die Kollegen von der BBC halte ich allerdings für vorbildlich. Die wissen auch, wie man sich im Ausland aufführt.

Und die Deutschen?

ARD und ZDF sind personell sehr stark aufgestellt. Sie sind durch ihren Riesenapparat aber auch oft gehandicapt. Die Privatsender können weltweit vielleicht nicht so präsent sein, sind mit ihren kleinen Einheiten oft schneller.

Wie oft sprechen Sie im Einsatz Ihre Frau?

Täglich.

Worüber reden sie dann?

Normalität. Ich werde Katrin am Telefon nicht wahnsinnig machen mit irgendwelchen Gräueltaten.

Frau Finke? (Katrin Finke hat sich inzwischen mit an den Tisch gesetzt)

Ralf sagt immer: ‚Das sind Raketen, die rausgehen. Hier schlägt nichts ein!’ Irgendwann lernt man, zu verdrängen, dass der eigene Mann in Gefahr ist.

Ralf Finke: Sie weiß, ich bin kein Cowboy.

Gibt es diese John-Wayne-Kriegsreporter?

O ja, die sieht man schon. Die erkennt man an den Cowboystiefeln und an der rauchigen Stimme, mit der sie von ihren Heldentaten erzählen.

Das Interview führte Felix Serrao.

Ralf Finke , 45, ist Kriegsreporter für den Nachrichtensender N 24. Über seinen Afghanistan-Einsatz hat er ein Buch geschrieben: „Unter weinenden Himmeln“ (Berlin, 2002).

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