zum Hauptinhalt

Medien: Dauer-Relaunch

Mutig, gefährlich: Ein Jahr „FR“ im Tabloid-Format

Bevor es losging, fand Uwe Vorkötter ein Bild für sein Vorhaben. In einem Interview Ende 2006 nannte er das nordische Zeitungsformat einen „Dinosaurier“. Mit diesem Format, in dem Blätter wie die „Süddeutsche Zeitung“ oder der Tagesspiegel erscheinen, könne nicht flexibel, nicht leserfreundlich, nicht offen Zeitung gemacht werden. Vorkötter war da gerade drei Monate Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“ (FR), von der „Berliner Zeitung“ gekommen und als „kreativer Sanierer“ (Spiegel Online) gepriesen. Er wollte der „Rundschau“ das Großformat austreiben – und ihr dadurch wieder auf die Beine helfen. Sein Vorhaben war kühn. „Dinosaurier“ gehen vor einer Eiszeit in die Knie, aber vor einem Chefredakteur?

Keine andere überregionale Abo-Zeitung hatte die Umstellung aufs kleinformatige Tabloid-Format gewagt, doch stand auch keine von ihnen so sehr mit dem Rücken zur Wand wie das als linksliberal geltende Blatt. Kontinuierlich hatte die „FR“ an Auflage verloren. Es dauerte ein paar Monate, bis Vorkötters Plan aufging. Am 30. Mai 2007 erschien die erste Ausgabe der „Rundschau“ im Tabloidformat – halb so groß, doppelt so dick wie früher. Auf die Debütausgabe packte die Redaktion eine üppig bebilderte Forsa-Umfrage, Thema: G 8 und die Macht der Mächtigen. Das sollte die Stoßrichtung sein. Auf dem Titel ein Thema mit seitenfüllendem Bild; im Zeitungsinneren gegliederte Themenpakete – mehr Ordnung, mehr Wumm. Vorkötter wollte von nun an flexibel, leserfreundlich und offen Zeitung machen. Das macht er nun seit gut einem Jahr – und die Auflagenzahlen liefern positive Ergebnisse: Gegenüber dem Vorjahr hat die „FR“ um knapp 3700 Exemplare auf 153 700 verkaufte Hefte zugelegt (1. Quartal/08, IVW) – der erste Zugewinn seit sechs Jahren. Die Verbreitung ist gestiegen, rund 10 000 Leser mehr als noch im Vorjahr kann die „FR“ verzeichnen. Einzig die Abonnenten schreckten vor den Veränderungen zurück: 87 500 sind es derzeit, rund 5000 Leser haben im Vergleich zum Vorjahr das Abonnement gekündigt oder nicht verlängert.

Keine Seltenheit bei solch gravierenden Veränderungen. „Bei der Rundschau ist durch die Formatumstellung vom alten Layout eigentlich nichts mehr da“, sagt Zeitungsdesigner Norbert Küpper, Veranstalter des European Newspaper Award, bei dem die neugestaltete „FR“ im vergangenen Jahr zu den großen Gewinnern zählte. „Konsequent, aber auch sehr gefährlich“, nennt es der Layout-Experte Küpper und will erkannt haben, dass auch die Frankfurter Redakteure erst warm werden müssen mit ihrem neuen Format. Immer öfter wurde das eine Thema mit großem Bild auf dem Titel im Laufe des Jahres verdrängt von kleineren Meldungen. Vorkötter sagt, dass nicht jeder Tag ein solch dominierendes Thema biete, das eine opulente Bildoptik rechtfertige.

Küpper bewertet das neue Layout insgesamt als Zugewinn im deutschen Zeitungsmarkt. Die „FR“ hebe sich deutlich von anderen Titeln ab und könne ein neues, eigenes Profil entwickeln. Auf längere Sicht bestehe die Chance, dass „jüngere Leser bei der ,FR’ eher zugreifen als bei anderen überregionalen Titeln.“

„FR“-Chef Vorkötter ist mit seiner kleinen Revolution fürs Erste zufrieden. Die Ziele, „schneller, aktueller und mit klaren Schwerpunkten zu berichten“, seien „in ihren Grundlinien erfüllt“. Abgeschlossen sei das Projekt noch lange nicht. „Man macht nicht einfach mal einen Relaunch und ist dann fertig.“ Demnächst stehe ein neuerlicher Relaunch an – der des Online-Auftritts. Tim Klimeš

Tim Klimeš

Zur Startseite