zum Hauptinhalt

Debüt: Drei Farben: Grün

Ein 3sat-Film auf den Pfaden Krzysztof Kieslowskis

Dieser Film beginnt so dramatisch, wie man es selten erlebt: Beim Versuch, den kleinen Franciszek von der Straße fernzuhalten, wird seine Mutter von einem Lkw überfahren und stirbt. Dann sind knapp 20 Jahre vergangen. Der Zuschauer findet sich in einem rätselhaften Puzzle wieder. Der greise Vater, ein ehemals erfolgreicher Warschauer Dirigent, hat sich von einem Herzinfarkt nie vollständig erholt, lebt mit seinem Sohn in einem einfachen Haus und arbeitet als Organist in einer Dorfkirche. Eben dort zeichnet Franciszek mit seiner Handkamera den Diebstahl eines Altargemäldes auf. Er entschließt sich, den Dieb, einen reichen Galeristen, zu erpressen. Wichtige Nebenrollen spielen Franciszeks Bruder, der im Gefängnis sitzt und seine Freundin Klara, die den Kunstdieb gut zu kennen scheint. Außerdem ein giftgrüner Renault, der mit seinem Hofer Kennzeichen offenbar aus Deutschland „importiert“ wurde. „Ich gewöhne die Deutschen daran, dass Polen nicht nur Autos klauen, sondern auch Filme machen können", sagt der 39-jährige Regisseur Stanislaw Mucha.

Der gebürtige Pole verbrachte ein Drittel seines Lebens in Deutschland, unter anderem in Hof, studierte an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg und fiel wegen seiner ungewöhnlichen Dokumentarfilme auf. Für „Absolut Warhola“, bei dem er in den Karpaten nach Andy Warhol forscht, bekam er den Grimme-Preis. Auch „Die Mitte“, ein Film für den sich Mucha 2004 auf die Suche nach der geografischen Mitte Europas machte, wurde mehrfach ausgezeichnet. Dabei bevölkern skurrile Figuren und komische Geschichten seine Filme. Aus Chaos und Absurdität entsteht eine fröhliche und nachdenkliche Mischung zu Themen wie Nationalstolz, Rassismus oder Kunst.

Ganz anders nun Muchas Spielfilmdebüt, das er 2007 zusammen mit Krzysztof Piesiewicz, dem langjährigen Koautor des polnischen Meisterregisseurs Krzysztof Kieslowski, realisierte. Ernster, kühler und gewissermaßen ätherischer als seine alltagsgesättigten Dokumentarstudien wird hier mit viel Symbolkraft und wenig Dialogen ein in jeder Sekunde eindringliches und spannendes Drama erzählt.

Mal Krimi, mal Thriller, mal wunderliches Märchen – der Humor kommt sehr leise daher. Vieles erinnert an die „Drei Farben“-Trilogie von Kieslowski: die Schweigsamkeit der Figuren, die dramatischen Schicksalsschläge, der Umgang mit Farben (hier vor allem Grün) und der Einsatz von klassischer Musik. Den Drehbuchautor Piesiewicz hatte Stanislaw Mucha auf einem Filmfest in Karlsbad kennengelernt. Der vertraute ihm ein Skript aus einer Trilogie über Glaube, Liebe und Hoffnung an. Spirituelle Themen liegen dem 64-Jährigen. Seine letzten, noch mit Kieslowski zusammen begonnenen, Drehbücher hießen „Himmel“, „Fegefeuer“ und „Hölle“. Auch wenn Stanislaw Mucha sagt: „Franciszek, der naiv, intuitiv und unbeirrt seinen Weg geht, verkörpert für mich die Hoffnung“, dreht es sich in diesem Autorenfilm viel mehr um Schuld, Distanz und Angst als um Hoffnung. Im Detail steckt in Muchas Krimi manche Spitze gegen Kirche und Gesellschaft in Polen. So etwa bei der Szene, in der der ermittelnde Polizist den Pfarrer befragt und dieser eröffnet, er habe über jedes seiner Gemeindemitglieder eine Akte angefertigt, die er gerne aushändigen könne. Simone Schellhammer

„Hoffnung“, Mittwoch, 3sat, 22 Uhr 25

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false