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Medien: Den Hahn abgedreht

Ein ARD-Film zeigt, wie „Heuschrecken“ den Armaturenhersteller Grohe zu Geld machen

„Deutsche Manager lieben Thailand. Weil da die Arbeitsplätze so billig sind.“ So fängt der Film „Und du bist raus“ an. Zu sehen ist, wie Detlev Sigiel, Manager der Sanitärfirma Grohe, den Erweiterungsbau eines thailändischen Werkes eröffnet. Doch die farbenprächtige Idylle wird schnell zum bitteren Lehrstück: Die tausend Arbeitsplätze, die da in Thailand geschaffen wurden, hat man in deutschen Grohe-Werken vorher gestrichen. Die Firma Grohe, ein geachtetes und profitables Unternehmen, ist den „Heuschrecken“ des international operierenden Private-Equity-Business in die Fänge geraten. Dass es Grohe heute in Deutschland überhaupt noch gibt – wenn auch stark reduziert – ist wohl nur dem aktiven Betriebsrat zu verdanken. Die Politik scheint sich aus solchen Dramen rauszuhalten. Im ganzen Film ist kein Wort zu vernehmen von jemandem, der oberhalb der Bürgermeisterebene Verantwortung für unser Land trägt.

Filmautor Hubert Seipel erzählt in manchmal ironischem, meistens sachlichem Ton die Geschichte eines Unternehmens, das bis 1999 im Familienbesitz war, und dann an internationale Investoren verkauft wurde. Die steigerten den ohnehin schon ansehnlichen Gewinn und verkauften 2004 an zwei Unternehmen, die mit Firmen handeln wie andere mit Äpfeln. Sie tragen illustre Namen: Die Credit Swiss First Boston aus London und die Texas Pacific Group in Dallas. Deren Ziel: Die gekauften Firmen sollen kurzfristig noch mehr Profit erwirtschaften und dann mit sattem Zusatzgewinn wieder verkauft werden. Das Konzept der neuen Eigentümer sah die Streichung von mindestens 2700 der 4500 Arbeitsplätze in Deutschland und die weitgehende Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer vor. Mit Gegengutachten und Öffentlichkeitsarbeit erreichte der Betriebsrat, dass zunächst „nur“ 1300 Arbeitsplätze gestrichen wurden.

Manuel lo Conte ist 41 Jahre alt. Seit 20 Jahren arbeitet er bei Grohe, seine Frau ebenfalls, auch sein Sohn war bei Grohe. Zum Abschluss seiner Tätigkeit durfte Manuel lo Conte sechs Wochen lang im neuen thailändischen Werk den Arbeitern zeigen, wie bei Grohe gearbeitet wird. Jetzt ist die Familie lo Conte arbeitslos. Arbeitslos sind auch alle 305 Mitarbeiter des Grohe-Standorts im brandenburgischen Herzberg. Das Werk war bis zur Wende ein volkseigenes Armaturenwerk; die Belegschaft war froh, als es 1990 von Grohe übernommen wurde. Man meinte, den Anschluss an die Produktivität des Westens geschafft zu haben. Doch Herzberg passte nicht in das „Internationalisierungskonzept“ der Investoren, die Grohe 2004 kauften.

Dieser Film macht wütend, weil anscheinend keine Abhilfe in Sicht ist. Hier werden kein Verlustbringer aufgekauft und international wettbewerbsfähig gemacht – hier wird ein gut gehendes Unternehmen „aufgekauft, ausgesaugt und weggeworfen“, so Grohe-Betriebsrat Schulze. Das jahrelang entwickelte Fachwissen, die optimierten Betriebsabläufe, Geschäftsverbindungen, Kundenbeziehungen – alles wird mit dem Verkauf plötzlich beliebig verfügbar. Die neuen Inhaber, nur an einer extremen Steigerung ihres Gewinns interessiert, verlagern die Arbeitsplätze in Billiglohnländer. Zurück bleiben qualifizierte Menschen, zum Teil arbeitslos für den Rest ihres Lebens. Leere Hallen. Gemeinden, die auf einen Großteil ihrer Gewerbesteuern verzichten müssen. Wie gesagt: Zu all dem gibt es im Film kein Wort eines Politikers. Vielleicht, weil die Politik in Deutschland bei diesem Thema ratlos ist.

„Und du bist raus“; ARD, 23 Uhr 30

Eckart Lottmann

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