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"Der Alte": Die Ruhe weg

Rolf Schimpf alias "Der Alte“ geht nach 22 Jahren und 222 Folgen. "Der Neue“ kommt im März.

Sein Abschied ist kurz, schlicht und unauffällig. „Ach, lass doch den Quatsch“, sagt Hauptkommissar Leo Kress (Rolf Schimpf) zu Gerd Heymann (Michael Ande), als dieser seine kleine Abschiedsrede anfängt und gemeinsam mit den Kollegen Axel Richter (Pierre Sanoussi-Bliss) und Werner Riedmann (Markus Böttcher) das Sektglas auf Kress erhebt. Doch zu mehr kommt es erst gar nicht. Das Telefon klingelt, eine neue Leiche, ein neuer Fall. Fragend blicken sie ihn alle an, den alten grauen Leitwolf, und der meint salopp, dass sie doch nun jahrelang bei ihm gelernt hätten, auf was sie denn nun noch warten würden. Also keine Rede, kein Sekt, kein Abschiedspathos. Die drei gehen, Leo Kress bleibt allein im Bürozimmer zurück. Da steht er und hält inne. Einen kurzen Moment nur. Das war’s.

Es ist die letzte Einstellung, in der Rolf Schimpf in der Rolle seines Lebens zu sehen ist, als „Der Alte“. Ein Stück bundesdeutscher Fernsehgeschichte geht heute nach diesem Schlussbild zu Ende, dieser „Alte“ verabschiedet sich.

Die Ära der Serie begann vor gut 30 Jahren, am 11. April 1977. Da nahm Siegfried Lowitz – etwa bekannt aus den schwarzweißen Edgar-Wallace-Filmen der 60er – in seiner unnachahmlich stoischen Art die Ermittlungen als Münchner Hauptkommissar Erwin Köster auf. Nassforsch-bärbeißig löste er die Fälle, stets mit dem loyalen Assistenten Gerd Heymann an seiner Seite. Genau 100 Fälle löste Lowitz als Köster, knapp zehn Jahre lang. 1986 ließ man Köster sterben, und der Wechsel folgte. Rolf Schimpf wurde der neue „Alte“ und startete am 28. Februar 1986 mit der Folge „Sein erster Fall“. Schimpf war damals schon 62 Jahre alt. Heute geht er als dienstältester Fernsehkommissar: im Alter von 83 Jahren, nach 222 Folgen und nach knapp 22 Jahren.

Für die Rolle des „Alten“ wurde Schimpf vom Produzenten Helmut Ringelmann 1984 in einem ZDF-Fernsehfilm entdeckt. Zuvor hatte Schimpf in 40 Folgen von „Soko 5113“ mitgewirkt. Zunächst besetzte Ringelmann Schimpf in der sechsteiligen Serie „Mensch Bachmann“, danach folgte die Rolle des Leo Kress. Damit hatte Ringelmann nach Lowitz den nächsten Erfolg in Serie kreiert. Ringelmann, der mit seinem Unternehmen „Neue Münchner Fernsehproduktion“ längst schon selbst zur TV-Legende geworden ist, verantwortet ebenfalls ZDF-Freitagskrimis wie „Der Kommissar“ mit Erik Ode oder „Derrick“ mit Horst Tappert. Er hatte schon immer ein untrügliches Gespür für lang anhaltende Erfolgsgeschichten. Allen voran „Derrick“ und „Der Alte“, die in über einhundert Ländern zu sehen sind: von Ägypten bis Simbabwe, von Bulgarien bis Venezuela werden sie als Ermittler geschätzt.

Einzig Horst Tappert hat als „Derrick“ in noch mehr Fernsehdienstjahren noch mehr Fälle im gehoben-kriminellen Münchner Milieu gelöst als der „Alte“ Rolf Schimpf. Und so wie Fritz Wepper als Derricks Assistent Harry Klein eine Zeit lang Deutschlands dienstältester Wagenholer war, so dürfte die Rolle des unverzichtbaren Langzeitassistenten des „Alten“ nun Michael Ande als Gerd Heymann zufallen.

Ihre beiden Chefs hat Helmut Ringelmann mit ähnlichen Werten ausgezeichnet: Sie sind verlässlich, verbindlich, konservativ eben, und verkörpern eine gewisse nonchalante Gelassenheit – tradierte Werte. Vermutlich deshalb kamen „Derrick“ und „Der Alte“ stets unmodisch und nahezu antiquiert daher – und wurden und werden umso lieber gesehen. In dieser Zeitlosigkeit, die resistent ist gegen alle kurzlebigen Strömungen, lag und liegt auch die Stärke der freitäglichen ZDF-Marke des „Alten“. Ein anachronistisches Kuriosum. „Jakob“ heißt nun ganz schlicht und simpel die Abschiedsfolge mit Rolf Schimpf. Von Hartmut Griesmayr geschrieben und inszeniert, geht es darin um den zwölfjährigen Jungen Jakob, der ermordet aufgefunden wird. Kein Tatmotiv, kein Täter – Leo Kress steht lange vor einem Nichts. Über der ganzen Folge, die schließlich zwei Mordfälle miteinander verbindet, liegt eine zuweilen etwas zu schwer dräuende Musik, ganz so, als ob es eben doch auch um einen anderen Abschied geht.

Bei den Dreharbeiten am Set in München soll Rolf Schimpf immer auf gleicher Augenhöhe mit allen gewesen sein, frei von Allüren und Launen. Keiner, der sich in den Vordergrund schob. Uneitel, geerdet. Und irgendwie war so auch sein Hauptkommissar Leo Kress.

Die ersten Folgen mit Schimpf-Nachfolger Walter Kreye, der nun mit 65 den neuen „Alten“ spielt, sind in München inzwischen abgedreht, ab März sollen sie ausgestrahlt werden. Ersetzen wird der „Neue“ den „Alten“ Rolf Schimpf jedoch nicht können.

„Der Alte – Jakob“, ZDF, 20 Uhr 15

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