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Mit Link zur Gedenkwebseite: Auf dem Friedhof an der Eythstraße in Tempelhof gibt es bereits ein privates Grab mit QR-Code (rechst vorne).

© Herrmann

Der digitale Friedhof: Vom Grabstein direkt ins Internet

Grabsteine mit Internet-Link werden immer gefragter. Auch in Berlin bieten Steinmetze speziell gefertigte Lösungen an.

Die drei jüdischen Friedhöfe Berlins nutzen ihn schon: Am Eingang findet sich jeweils ein eingravierter QR-Code (Quick-Response-Code). Das quadratische, schwarz-weiße Muster wird mit der Kamera eines Smartphones eingescannt und führt in diesem Fall zu einer Gedenkseite im Internet. Zunehmend interessieren sich aber auch Privatpersonen für einen QR-Code auf dem Grab. Auf dem eines Angehörigen – oder sogar dem eigenen. Dadurch soll ein persönlicher, digitaler Erinnerungsraum entstehen.

Zwei Berliner Steinmetze bieten bereits eingemeißelte QR-Codes auf Grabsteinen an. Einer davon ist Stefan Herrmann aus Schöneberg. Er findet es richtig, dass sich in Sachen Grabgestaltung etwas tut: „Es trauen sich viel zu wenige, etwas Modernes zu machen. Dabei kann man den Leuten zeigen, dass es auf dem Friedhof noch etwas anderes gibt als viereckige Steine mit Namen drauf“. Mehrere Anfragen nach QR-Codes hat Herrmann schon bekommen, umgesetzt hat er bisher nur eine. Das liegt aber nicht an der Skepsis der Interessenten, sondern daran, dass viele technisch nicht in der Lage sind, dem Verstorbenen eine Webseite einzurichten. Denn dafür sind die Verwandten selbst zuständig. Der Steinmetz graviert nur den Code.

Alles ist möglich: Sogar ein Verweis zu Twitter oder Facebook

Auf dem Friedhof an der Eythstraße hat Herrmann dann doch den ersten Auftrag realisiert: Neben dem klassischen Grabstein hat er dort eine Stele mit QR-Code für einen Verstorbenen errichtet. Herrmann hat sich vorab genau informiert, welche Daten er in Stein meißelt: „Nichts wäre peinlicher, als wenn ich nicht weiß, was ich da gemacht habe“. So kann er sicher sein, dass der QR-Code auf eine schlichte Seite zur Erinnerung führt. Theoretisch wäre aber auch eine Verlinkung auf das ehemalige Facebook- oder Twitter-Profil des Toten denkbar.
Nur: Warum die extra Stele für den Code? „Wenn der QR-Code aus der Mode kommt und dann direkt auf dem Grabstein ist, kann man ja den ganzen Stein vergessen“, sagt Herrmann. Dann schon lieber analoges und digitales Gedenken trennen.

Der Trend stammt aus Südostasien

Glaubt man den Soziologen Matthias Meitzler und Thorsten Benkel, sollte sich der QR-Code technisch gesehen aber noch ein wenig halten, insbesondere auf Friedhöfen. Die beiden Wissenschaftler forschen speziell zu „Todeskontexten“ – und haben sich im Rahmen ihrer Arbeit auch mit Friedhöfen beschäftigt. Allein in Deutschland haben sie mehr als ein Dutzend Friedhöfe gefunden, auf denen es bereits Gräber mit QR-Codes gibt. Der Scan mit dem Smartphone, um den Toten digital nahe zu sein, ist momentan die innovativste Entwicklung der Bestattungskultur. „Der Trend stammt aus Südostasien, aber Deutschland hat diese Idee sehr schnell aufgegriffen“, sagt Meitzler. „Erinnern und Trauern werden technisch aufgerüstet. Der QR-Code öffnet einen alternativen Raum dafür“.

Die Friedhofsverwaltungen in Berlin haben scheinbar wenig dagegen. Steinmetz Herrmann hatte vor der Installation des QR-Codes nachgefragt, ob die Pläne gegen die Friedhofsordnung verstoßen würden. „Aber die hatten kein Problem damit“. Anderswo in Deutschland ist die Kritik größer: In Köln sollten QR-Codes auf Grabsteinen schon einmal verboten werden. Die Gegner behaupten, Inhalte der verlinkten Seiten seien unkontrollierbar – im Gegensatz zur klassischen Grabgestaltung mit Blumen und Kerzen. „Manche können den QR-Code auch nicht mit der klassischen Vorstellung von Totenwürde vereinbaren“, sagt Soziologe Meitzler.

Die Zukunft des Friedhofs: Video-Grabsteine?

Was würden diese Kritiker nur sagen, wenn sie wüssten, dass es bereits Entwürfe für Video-Grabsteine gibt? Darin vermuten Meitzler und Benkel den nächsten Schritt zur Digitalisierung der Friedhöfe – wenn auch erst in einigen Jahren. Ein Holländer hatte die Idee dazu bereits vor rund einem Jahrzehnt. Auf seinem Grab sollten seine Digitalfotos in Endlosschleife laufen. Das Projekt scheiterte letztlich am Akku: Die Verwandtschaft hatte keine Lust, ein Solardach über dem Grab zu errichten.

So beschränkt sich die Friedhofs-Digitalisierung derzeit auf den QR-Code. Steinmetz Herrmann, der den Code beruflich für eine gute Sache hält, ist privat kein Technik-Fan: „Ich bin jetzt so um die 30 und nutze QR-Codes nie. Nicht mal die für Werbung an der Bushaltestelle“.

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