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Auf Googles Videoplattform Youtube gibt es zu fast jedem Thema hilfreiche Tutorials.

© Imago

Der große Lehrmeister: Youtube ist die Klick-Schule der Nation

Schwimmen, reiten, Flöte spielen – im Internet kann fast alles gelernt werden. Die Geduld der Lehrer ist unendlich, die Videos sind hilfreich. Und das Beste: Niemand schaut zu, niemand lacht aus.

So einen Lehrer kann man sich ja nur wünschen: immer dann zur Stelle, wenn man Lust auf sein Fach hat. In seinen Ausführungen null Widersprüchlichkeiten, in seinem Verhalten keine Launen, geduldig bis in die tausendste Wiederholung, keine Fragen stellend, und wenn das Schülertelefon klingelt, pausiert er mitten im Satz und wartet das Gesprächsende ab, ohne sich zu beschweren. Außerdem kommt er zu einem nach Hause, an den Schreib- oder Küchentisch oder aufs Sofa, und er kostet nichts.

Realistischerweise trifft man so einen nur selten, virtuellerweise aber oft.

Besonders zu den Themen Sport und Musik gibt es bei Youtube viele Lehrfilmchen, die in unterschiedlichen Längen und Ausführlichkeiten vom richtigen Kraulschwimmen oder korrekten Schritt-Trab-Übergängen bis zu den passenden Klavier-, Gitarren- oder Flötengriffen für das aktuelle Lieblingslied vermitteln, was man hier und jetzt sofort gerade wissen will. Motto: anklicken und loslernen.

Den meisten Sinn machen die Filme, wenn Basiskenntnisse des Lehrinhalts bereits vorhanden sind. Ein Video, das dem Zuschauer Schwimmen im Sinne von Nichtuntergehen beibringen will, ist schwerer zu finden als eins, das Plantschen in Gleiten verwandeln hilft, weil das persönlicher Ansprache bedarf. Wer schwimmen kann, aber nicht gut, wird eher fündig. Kraulen beispielsweise. Und wer würde das nicht gerne können?

Ein 5:39-Minuten-Film der Ertüchtigungsillustrierten „Fit for Fun“ zeigt, in welchen Schritten man sich diese schnellste aller Schwimmarten beibringen kann. Es gibt Übungen zur besseren Wasserlage (Po dicht an der Wasseroberfläche), zu effektivem Beinschlag (peitschende Bewegung aus der Hüfte) und korrektem Armzug (Arm beugen beim Nachvorneziehen). Gut erklärt von einer Männerstimme und vorgemacht von einer jungen Frau mit silberner Badekappe.

Bei Youtube merkt es keiner, wenn es nicht klappt

Wer mit den Bildern im Kopf ins Schwimmbad geht, sich an die Ansagen hält, wird seine Erfolge erzielen, und zwar wie von Geisterhand gelenkt. Auch das gehört zum Schönen am Youtubelernen: Weil keiner merkt, dass man gerade etwas übt, merkt auch keiner, wenn etwas nicht klappt.

Knapp 550 000 Mal wurde das Kraul-Video geklickt, seit es im April 2011 bei Youtube erschien. Auch zum Brustschwimmen („viel schwieriger als Kraulen, wenn man es perfekt machen will“) gibt es ein Video aus dieser Reihe, das in derselben Zeit nur 150 000 Mal geklickt wurde. Wenn das etwas heißen soll, dann vielleicht am ehesten, dass dem Youtube-Schüler der rasante Auftritt wichtiger ist als der profunde, was dem Medium ja auch angemessen wäre.

Von flüchtiger Rasanz will Ralf Isselhorst gar nichts wissen. Isselhorst ist Richter fürs Dressurreiten bis zur höchsten Klasse und hat selbst von Reiner Klimke gelernt, dem siegreichsten Dressurreiter der Welt. Unter dem Suchwort „Dressurtrainer“ hat er eine Reihe von 20 bis 30 Minuten langen Videos hochgeladen, in denen er sich bemüht, vier bereits fortgeschrittenen Reiterinnen mit ihren Pferden zu mehr Ausdruck, besserem Trab oder mehr Durchlässigkeit zu verhelfen. Die Kamera hat die Reiter-Pferd-Paare im Blick und Isselhorst kommentiert ausführlich aus dem Off. Das ist lehrreich, weil er dem Videoschauer so zeigt, was man alles sehen und erkennen kann, wenn man weiß, worauf man achten muss. Ähnliche Videos will Isselhorst auch für die Basisarbeit mit dem Pferd machen, am liebsten noch fürs richtige Satteln und Trensen. Es werde in der heutigen Reiterei das Grundwissen vernachlässigt, sagt er am Telefon, jeder wolle schnellstmöglich Lektionen reiten. Dass er als Online-Lehrer einen leibhaftigen ersetzen könnte, glaubt er zwar nicht, aber: „Ich kann vielleicht etwas anstoßen.“

Die Klickraten mit 12 500 Abrufen sind durchaus beachtlich

Seine Videos haben Klickzahlen zwischen rund 8000 und 12 500 – was für einen Lehrer, der im echten Leben nur Einzelstunden gibt, eine beachtliche Radiuserweiterung ist. Auf die Idee dazu kam er durch die Fachzeitschrift „Reiter Revue International“, die bereits seit langem Videos dreht und online zeigt. Ein Highlight im Angebot: Ausschnitte aus einer Dressurstunde, die Reiner Klimkes Tochter, die mehrfache Vielseitigkeitsweltmeisterin Ingrid Klimke, der Weltranglistenzweiten Helen Langehanenberg gibt. Diese hochklassige Unterrichtseinheit wurde bisher gut 250 000 Mal geklickt.

Neben solchen Videos von Experten und Profis gibt es auch eine Reihe von Filmchen, in denen Lernende zeigen, wie sie lernen, und Tricks verraten, die ihnen geholfen haben – im Musikbereich findet sich diese Nützlichkeit unter den Suchworten „How to play“. Da sitzt dann ein Mensch mit Gitarre, nicht selten in seinem Kinderzimmer auf der Sofakante, und erklärt, welche Akkorde in welcher Reihenfolge aneinanderzureihen sind. Hier ist das Lehrerhafte fast schon aufgehoben, es herrscht das Kumpelprinzip. Nicht: Komm, ich zeig’ dir, wie es geht, sondern: Ich zeig’ dir, wie ich es mache. Oft werden Gitarrensolos aus Rocksongs erklärt, Melodien, mit denen man Herzen bricht: das Intro von „Stairway to heaven“ (Led Zeppelin), „Nothing else matters“ (Metallica) oder „Under the bridge“ (Red Hot Chili Peppers). Weniger Mensch, mehr Grafik findet sich bei vielen Klavierlernvideos. Dann sausen auf ein animiertes Tastenfeld wie in einem Computerspiel Pfeile zu, die anzeigen, welche Tasten zu drücken sind, damit „Easy“ von Rihanna entsteht oder „Someone like you“ von Adele. Andere filmen ihr Piano von oben und tippen mit einem Finger die richtigen Tasten (etwa für den Song „Popcorn“).

Ein Hinweis auf die Güte des Videos kann die Klickzahl sein, aber die kann genauso gut auch nichts bedeuten. Es ist bei Youtube ja auch vollkommen egal. Wer ein Lehrvideo anklickt und den Lehrer nicht mag, klickt eben weiter. Auch das gehört zur den Vorzügen dieser Weiterbildungsart. Ein jeder dürfte sich aus seiner Schulzeit an Lehrer erinnern, deren Rede er einfach nicht begriff. Bei Youtube hat man hunderte Lehrer im Angebot, die sich in Sekundenschnelle durchprobieren lassen, bis man den findet, der die richtigen Worte für einen parat hat. Kleiner Nebeneffekt für fachsprachlich Interessierte: Da die meisten Lehrvideos auf Englisch produziert werden, lernt man nebenbei Begriffe wie Akkord (chord), Bund (fret), Zügel (rein) oder Trab (trot).

Je unhipper der Stoff, desto magerer die Ausbeute

Wie im realen Leben gilt ansonsten auch im Internet: Je unhipper der Lernstoff, desto magerer die Lehrstoffausbeute. Unter „Flöte spielen lernen“ werden zwar rund 2000 Angebote angekündigt, doch die driften schnell zur Konzertquerflöte weg. An dritter Stelle im Angebot taucht ein blasser Grundschüler auf, der – im Hintergrund eine Kommode mit Spielzeughubschraubern drauf – den „Titanic“-Filmsong „My heart will go on“ flötet. Knapp 17 000 Klicks hat er bisher. Und in den Kommentaren darunter findet sich vielleicht ein Hinweis auf das nächste Lernvideo: „Heeey“, schreibt jemand vor zwei Monaten, „ könntest du mal ein Video machen, wo du das Lied spielst, aber ganz langsam, und erklär dann, welche Noten man spielen muss?!“

Youtube-Tutorials (eine Auswahl)

SPORT

Besser schwimmen mit „Fit for Fun“:

www.youtube.com/watch?v=N4zyYumxznY

www.youtube.com/watch?v=j4R4wECnEAM

Dressurreiten unter:

www.youtube.com/watch?v=Y6lFEHajYVo

www.youtube.com/watch?v=_bGUlafJWXE

MUSIK

How to play Stairway to heaven:

www.youtube.com/watch?v=dzkVoLJ0Hqs

How to play Under the Bridge:

www.youtube.com/watch?v=ESKcqh_K-7A

How to play Nothing else matters:

www.youtube.com/watch?v=ifQhQv9nlaM

How to play Popcorn:

www.youtube.com/watch?v=PMS2XX5u6GQ

How to play Easy:

www.youtube.com/watch?v=u9e_FoX8boM

How to play Someone like you:

www.youtube.com/watch?v=u9e_FoX8boM (Mensch)

www.youtube.com/watch?v=Lgt__AmaQwo (Graphik)

Titanic auf der Blockflöte:

www.youtube.com/watch?v=kcwECOjrK6E

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