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Im Verhör von Adam Dahl (Eloi Christ), der in einem Zugabteil ohne erkennbaren Grund einen Mitreisenden totgeschlagen hat, kämpft Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) zugleich mit ihren eigenen Dämonen.

© MDR/Filmpool fiction/Conny Klein

Der „Polizeiruf 110“ des MDR: Der Fremde im Zug

Wenn selbst der Täter das Motiv nicht kennt: „Black Box“ ist ein außergewöhnlicher Magdeburger „Polizeiruf 110“ mit Claudia Michelsen.

Sie sitzen zusammen im Bahnabteil. Zwei junge Männer Anfang zwanzig. Sie küssen sich. Werfen sich eindeutige Blicke zu. Sind sich nahe. Dem einen, Tomi (Kai Müller), ist das etwas unangenehm, er möchte es in der Öffentlichkeit nicht zeigen.

Das kleine Bahnabteil ist leer, nur sie sitzen darin. Plötzlich geht die Abteiltür auf. Ein Mann, Stöpsel im Ohr, am Mobiltelefon, laut redend. Es klingt nach einem schwierigen Gespräch. Der Fremde stört. Plötzlich nimmt einer der beiden jungen Männer, die sich eben noch nahe waren, den Nothammer und schlägt vollkommen abrupt und mehrfach wiederholt auf den Unbekannten ein. Adam Dahl (Eloi Christ) ist dabei vollkommen außer sich.

Der neue Fall der Magdeburger Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) in der „Polizeiruf 110“-Reihe der ARD (am Sonntag um 20.15 Uhr) trägt den Titel „Black Box“ und wurde von Regisseurin Ute Wieland nach einem Drehbuch von Zora Holtfreter in Szene gesetzt.

Es ist Doreen Braschs 15. Fall – der letzte, „Der Verurteilte“, liegt bereits ganze anderthalb Jahre zurück. Zugleich nimmt „Black Box“ ein zentrales Motiv von „Der Verurteilte“ wieder auf: die Konfrontation von Brasch mit dem gewalttätigen Paar Wegner, dass sie seinerzeit im Keller des abgelegenen Wegner’schen Gehöfts schwer angegriffen und malträtiert hatte.

Infolgedessen müssen bei Brasch nun immer die Türen offen stehen, kommt die Erinnerung immer wieder ungebeten hoch, während sie den jungen Täter Adam Dahl verhört, der sich partout an nichts erinnern kann, für den alles ihm Vorgeworfene – nämlich der Totschlag des Unbekannten aus dem Bahnabteil, der Christof Oschmann hieß und zu dem es doch irgendeinen Bezug geben muss – ein weißer Fleck auf der Gedächtnislandkarte ist.

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So geht es in „Black Box“ zwar nicht um die Aufzeichnungen eines Flugschreibers oder Ähnlichem, wohl aber darum, was sich das Gedächtnis behält und was nicht, was sich tief einprägt, wenngleich es Jahrzehnte her sein mag, und was auf immer verloren scheint.

„Black Box“ ist ein sehr eigener Fall

Für den in Untersuchungshaft sitzenden jungen Adam Dahl eine Qual, hat er doch einen Menschen umgebracht, den er offenkundig nicht zu kennen scheint. Er kann weder ein Tatmotiv angeben noch aus der Erinnerung schöpfen. Parallel leidet Kommissarin Brasch unter ihren Erinnerungen an die Wegners.

Dadurch, wie so oft, steht sich diese unbequeme, unorthodoxe Ermittlerin selbst im Weg, behindert letztlich ihre eigenen Ermittlungen, was ihr Vorgesetzter, Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler), mit sichtbarer Sorge und Empathie beobachtet. „Black Box“ ist ein sehr eigener Fall: Lange wirkt es so, als sei die Sachlage vollkommen eindeutig. Adam Dahl hat den Fremden im Zug umgebracht. Es gilt einzig zu bewerten, welches Strafmaß er zu erwarten hat.

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Doch Doreen Brasch vermutet mehr dahinter. Gegen den auffallend deutlichen Willen von Adam Dahls Eltern – des pensionierten LKA-Direktors Klaus-Volker Dahl (Sven-Eric Bechtolf) und dessen Frau, der Psychologin Bianca (Corinna Kirchhoff) – verfolgt Brasch Spuren, die bald schon tiefer in die Dahl-Familie hineinführen, als dieser lieb ist. Da ruht etwas in ferner Vergangenheit, was dort tunlichst auch weiterhin ruhen soll. Noch ein weißer Fleck.

„Black Box“ erzählt somit zum einen von der inneren Befindlichkeit der Protagonistin Brasch, die gegen die belastenden Erinnerungs-Flashs ankämpft, die sie aus ihrem letzten Fall mit sich herumschleppt. Zum anderen steht und fällt dieser Fall mit der Erinnerungslücke Adam Dahls: Wird diese Lücke einmal geschlossen sein, ist Brasch der Wahrheit ein ganzes Stück näher. Jener Wahrheit, von der sie Dahls Eltern so sehr fernzuhalten versuchen. Spät erst kommt sie ans Licht.

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