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Außenreporter Sandro Zahlemann (Olli Dittrich) wartet am Leipziger Hauptbahnhof auf den Staatsbesucher.

© WDR/Beba Lindhorst

Der "Sandro-Report" in der ARD: Olli Dittrich als Sandro Zahlemann

„Guten Tag. Deutsches Fernsehen. Bitte ignorieren Sie uns“: Olli Dittrich alias Reporter Sandro Zahlemann persifliert die Live-Reportage.

Wiedersehen macht Freude: Sandro Zahlemann, jenes einzigartige Reporter-Geschöpf aus Olli Dittrichs reichem Figurenschatz, hat endlich seine eigene Sendung. Für den „Sandro-Report“ hat er sich am Leipziger Hauptbahnhof, Gleis 16, in Position gebracht. Der König von Bhutan wird hier zum Ende seines Staatsbesuchs erwartet, der rote Teppich ist ausgerollt, die Flaggen aufgestellt, eine „Delegation internationaler Journalisten“ (Zahlemann) drängelt sich um die besten Plätze, und das „Heeres-Blasorchester der Finkenherder Berufsfeuerwehr“ begleitet schwungvoll Zahlemanns Ansage.

Der Reporter in der blauen ARD-Jacke trägt Brille, Mittelscheitel, Schnurrbart. Und so kraus wie seine Haare sind auch manche Sätze: „Alles das deutet darauf hin, dass der Begriff ,großer Bahnhof‘ selten besser passender war denn je, als heute gewesen sein könnte.“ Aber bis auf Dittrich alias Zahlemann wirkt alles real und echt. Auch das Fernsehbild. Unten läuft eine „Bauchbinde“, oben links wird der wichtigtuerische Hinweis „Live gedreht“ eingeblendet.

„Live“ ist im Fernsehen ein Zauberwort. In Echtzeit, ganz nah und lebendig berichten, das ist der Auftrag an die Reporterinnen und Reporter. Bisweilen geht man auch dann „live“ auf Sendung, wenn noch gar nichts passiert ist. Oder wenn man gar nicht so genau weiß, was passiert ist. Dann werden Live-Schalten schnell zu einem quälenden Stochern im Nichts.

Mit dem „Sandro-Report“ hat Olli Dittrich dieses Nichts zur liebevoll gestalteten Kunstform erhoben. Zahlemann („Ich bin immer vor Ort, spätestens egal wann“) ist offenbar ohnehin des Fernseh-Hofnarren Dittrich liebstes Kind: Nach seinem Kurzauftritt im „Frühstücksfernsehen“, nach seinem Studiobesuch im „TalkGespräch“ folgt nun also Sandro Zahlemann pur. Dittrich selber sagt, reizvoll seien seine Fernsehfiguren, auch Dittsche, „wirklich alle in gleicher Weise“. Der sächselnde Unglücksrabe mit dem DDR- statt MDR-Mikrofon in der Hand ist allerdings der Hauptprotagonist in Dittrichs bisher vierteiligem „TV Zyklus“, der außerdem noch „Schorsch Aigner – der Mann, der Franz Beckenbauer war“ umfasst.

Der „Sandro-Report“ ist tatsächlich live gedreht worden

Zahlemanns zielloses Gequassel über Flora und Fauna in Bhutan oder über den ICE der vierten Generation verstellt perfekt den Blick darauf, dass Olli Dittrich hier wieder alles minutiös geplant hat. Der „Sandro-Report“ ist tatsächlich live gedreht worden, das heißt: in einem Rutsch, ohne Unterbrechung – ein einziger 30-minütiger „Take“ ohne Schnitt. Weil das Team beim ersten Mal zwei Minuten länger brauchte, musste allerdings noch ein zweites Mal gedreht werden. 100 Komparsen säumen nun den Weg von Reporter Zahlemann und seinem kleinen Team, das schon bald quer durch den Leipziger Bahnhof hastet.

Denn der ICE4 bleibt bei seiner Jungfernfahrt angeblich in Jesewitz wegen einer Signalstörung stehen, und Zahlemann will den Kollegen ein Schnippchen schlagen und fährt nun dem König mit einem Nahverkehrszug entgegen. Diese Zugfahrt ist ein herrliches Vergnügen. Weil sich Zahlemann („Guten Tag. Deutsches Fernsehen. Bitte ignorieren Sie uns“) tapfer von hinten nach vorne arbeitet.

Weil täuschend echt und lebendig aussieht, was von hinten bis vorne geplant wurde. Weil Zahlemann – zur Freude eines prominenten Eisenbahn-Gewerkschafters – die Relativitätstheorie und die angeblich im ICE4 geplanten Sushi-Bars zu verknüpfen versteht: Wenn das Fließband gegen die Fahrtrichtung läuft, müsse das Essen frisch bleiben, behauptet er.

Und weil Olli Dittrich auch die Lautsprecherdurchsagen des Zugbegleiters übernommen hat („Enjoy our Snack-Express. It’s lecker“). Nur einmal, während Zahlemann durch den Leipziger Bahnhof läuft, bricht die weniger komische Realität in dieses kunstvoll errichtete Humor-Gebäude ein. Eine entsprechende Anfrage beantwortete der WDR so: „Die ,Lügenpresse‘-Rufe von Passanten im Hintergrund waren echt. Alles andere ist Kunst.“

„Der Sandro-Report: Zahlemann live“; ARD, Donnerstag, 22 Uhr 45

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