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Medien: Der Tod aus der Luft

„Der Bombenkrieg“, eine dreiteilige ARD-Doku

Zwar wollten die Briten schon 1918 Berlin bombardieren, aber das Unternehmen scheiterte am schlechten Wetter. In der Schlacht an der Somme zwei Jahre zuvor sind tatsächlich Bomben zum Einsatz gekommen, aber man musste sie per Hand überm Schlachtfeld abwerfen. Ein Dilettantismus im Zeitalter der industriell geführten Kriege.

Vom ersten Tag des Zweiten Weltkriegs an war das anders. Mit mehr als 1000 Flugzeugen startete die Luftwaffe am 1. September 1939 nach Polen. Ein neues Geräusch kam in die Welt. Das Heulen der Stukas, wenn sie sich fallen ließen, um ihre Bombenlast abzuwerfen. Ein ehemaliger Melder der polnischen Armee imitiert das Stuka-Heulen, als habe er es gestern zum letzten Mal gehört. Und man begreift: Geräusche altern nicht. Es gibt eine Schicht des Schreckens, die immer unmittelbar bleibt. Auch dieses Wissen bewahrt die sorgfältig gemachte, gut geschnittene dreiteilige ARD-Dokumentation „Der Bombenkrieg".

Mit dem 1. September 1939 setzt sie ein. 20 000 Warschauer sterben bei der Bombardierung ihrer Stadt. Schnitt. Originalton Göring, der die „Leistungen unserer Luftwaffe“ preist, „die für immer unvergänglich sein werden“. Vielleicht ist diese Dokumentation des Luftkriegs erst heute möglich, aus einem historischen Abstand heraus, der nicht sofort den Verdacht aufkommen lässt, die eigene Schuld soll relativiert werden, wenn man die der anderen benennt. So scheut sich der Autor Johannes Eglau nicht, britische Großfantasien von 1916 zu zitieren, die vorwegnahmen, was knapp dreißig Jahre später Wirklichkeit wurde: „Wie man eine Millionenstadt durch Feuersturm ausradiert.“ Sehr früh entdeckten die Briten auch, wie man widerspenstige Araber im Irak mit ein paar Bomben zur Räson bringt. Gespenstisch aktuell wirken manche Erwägungen hier. Arthur Harris, der Irak-Bomber von 1922, der später die Bombenteppiche über Deutschland legen sollte: „Manche sagen, mit Bomben gewinnt man keinen Krieg. Ich sage: Es hat nur noch keiner versucht.“ Er nennt seine Strategie „Enthausung“. Militärs sind strukturelle Zyniker oder sie haben den falschen Beruf. Schlimm nur, die Dokumentation zeigt es, dass sie so oft – bis heute – miserable Psychologen sind. Denn die Rechtfertigung des bis dahin unvorstellbaren Angriffs auf Städte war die Demoralisierung der gegnerischen Bevölkerung. Das Gegenteil trat ein und tritt überall ein. Die Deutschen wurden ein trotziges Volk von Höhlenbewohnern.

Noch kann man Zeitzeugen befragen. Und ihre Zeugnisse erst geben diesen drei Teilen das besondere Gewicht. Denn sie ersetzen ganze Kommentare. Egal, ob es die dumm-grausame Bildunterschrift eines deutschen Legion-Condor-Piloten unter dem Foto des zerstörten Guernica ist: „Nun ist die Herrlichkeit zu Ende.“ Oder ob ein englischer Kampfflieger seinen Seelenzustand nach der Bombardierung Kölns 1942 beschreibt: „Es war ein Job. Knopfdrücken und ab nach Hause.“

„Der Bombenkrieg“: heute, am 5. und 12. Juli in der ARD um 21 Uhr 45

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