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Superheldin der Arbeit. Wendy (Cornelia Gröschel, l.) will sich nicht mehr von der Chefin des Schnellimbisses schikanieren lassen.

© Netflix/David Dollmann

Deutscher Sci-Fi-Film von Netflix: Vorstadt-Avengers

Wendy und Elmar statt Superman und Batman: Der Netflix-Film „Freaks“ problematisiert das Superheldenthema auf typisch deutsche Art.

Beim Thema Superhelden gelangt man schnell zu Comicverfilmungen wie „Avengers“ oder „X-Men“. Die Charaktere verfügen über Kräfte, die weit über die Fähigkeiten von Normalsterblichen hinausgehen. Zudem fallen die Hollywood-Produktionen so bombastisch aus, dass sie den Superheldenstatus der Protagonisten nochmals unterstreichen.

Der Streamingdienst Netflix hat mit „Freaks“ ab Mitwoch nun auch einen Superheldenfilm. Er stammt nicht aus der US-Traumfabrik, sondern aus deutscher Produktion. Die Protagonisten verfügen ebenfalls über außergewöhnliche Kräfte, doch damit endet die Ähnlichkeit. Statt Superman, Batman oder Spiderman spielen Wendy und Elmar eher in der Liga der Vorstadtkrokodile, und das mit voller Absicht der Partner Netflix, Pssst!-Film und dem kleinen Fernsehspiel des ZDF.

Worum es geht: Wendy (Cornelia Gröschel, „Tatort“ Dresden) lebt mit Ehemann Lars (Frederic Linkemann) und dem gemeinsamen Sohn in einer viel zu teuren Zweifamilienhaushälfte. Es reicht nicht einmal dafür, den Swimmingpool mit Wasser zu befüllen. Wendy arbeitet in einem Schnellimbiss, Lars als Securitymann.

Pillen gegen Superkräfte

Eines Tages begegnet Wendy dem Landstreicher Marek (Wotan Wilke Möhring), der ihr offenbart, dass sie Superkräfte besitzt, diese aber durch ihre Medikamente unterdrückt werden. „Du bist eine von uns, du weißt es bloß noch nicht“, eröffnet er ihr. Die Pillen, die Wendy seit Jahren schluckt, werden ihr von Dr. Stern (Nina Kunzendorf) verschrieben. Es kommt, wie es kommen muss. Wendy setzt die Pillen ab, die Superkräfte bringen ihr Leben kräftig durcheinander. Auch ihr Arbeitskollege Elmar (Tim Oliver Schultz, „Club der roten Bänder“) ist ein Superheld. Mit dem Unterschied, dass er besser ruhiggestellt bliebe, denn nun nehmen die Probleme ihren Lauf.

Dass „Freaks“ von der ganzen Machart eher an Fernsehen als an Kino erinnert, ist nicht zufällig. Regisseur Felix Binder, Drehbuchautor Marc O. Seng und die Produzenten Maren Lüthje und Florian Schneider arbeiteten bereits bei der ZDF-Produktion „Lerchenberg“ zusammen. In dieser Zeit entstand zwischen Binder und Seng auch die Idee für einen deutschen Superheldenfilm. Und als Seng den beiden Produzenten von „Lerchenberg“ erzählte, dass im Mittelpunkt der Geschichte eine junge Frau stehen sollte, die an sich übermenschliche Kräfte entdeckt, war sich das Quartett einig, dass „dieser Film für uns vier das nächste große Ding wird“.

Die Ursprungsidee dieser Geschichte über das Anderssein beruhte auf der Überlegung, dass für viele Menschen die Selbstoptimierung einen immer größeren Raum einnimmt. „Was, wenn solche Mittel nicht nur dazu da sind, um uns zu besser funktionierenden Menschen zu machen, sondern eigentlich noch etwas ganz anderes unterdrücken?“, fragte sich Drehbuchautor Seng.

Wer ist hier krank?

Wenn man sich den Film anschaut, drängt sich noch eine andere Frage auf: Wer ist krank? Jene Menschen, deren Fähigkeiten weit über das durchschnittliche Maße hinausgehen? Oder eine Gesellschaft, die solche Menschen mit besonderen Gaben medikamentös ruhigstellt oder wegsperrt?

Die Medikamentenpackung in „Freaks“ hat jedenfalls Ähnlichkeiten mit dem ADHS-Blocker Ritalin, mit dem massenhaft Kinder ruhiggestellt werden. Soll hier ein Zusammenhang hergestellt werden oder geht das zu weit? Sicher ist, etwas weniger Vorstadt und etwas mehr Marvel-Brimborium hätten dem Film nicht geschadet. So wird das Superheldenthema jedenfalls auf typisch deutsche Art problematisiert.

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