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Bayern-Trainer Pep Guardiola mit Jerome Boateng sowie den Dortmundern Sokratis und Henrich Mchitarjan.

© dpa/Peter Kneffel

DFB-Pokalhalbfinale im Fernsehen: Ein Spiel, 4,25 Millionen Fassungen

Es gibt im Fernsehen kaum etwas, das die unterschiedliche Wahrnehmung der Menschen von einem Ereignis so verdeutlicht wie die Übertragung eines Fußballspiels. Ein Paradebeispiel: das DFB-Pokalhalbfinale zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Kalle

Eine Bekannte erzählte mir vor Kurzem folgende Geschichte: Sie habe mit ein paar Freunden bei sich zu Hause ein Fußballspiel im Fernsehen angeschaut, unter den Freunden sei auch ein ehemaliger Profifußballer gewesen. Nationalspieler, eher obere Liga. Im Laufe der Übertragung hätten sich alle Gäste ganz furchtbar über den Fernsehkommentator aufgeregt – alles falsch, alles dumm, so ginge das ja nun wirklich nicht. Nur der ehemalige Fußballprofi habe kein Wort gesagt. Erst als das Spiel zu Ende war, habe er gesagt, er wüsste gar nicht, was alle gehabt hätten – alles, was der Kommentator gesagt habe, sei schließlich richtig gewesen. Daraufhin hätten die übrigen Gäste den ehemaligen Fußballprofi halb verdutzt und halb beschämt angeschaut.

Ich habe diese Geschichte sofort geglaubt. Aus mehreren Gründen: Ersten glaube ich, dass jemand, der dauernd Fußball gespielt hat, wahrscheinlich gar keine Zeit gehabt hat, sich Fußballspiele im Fernsehen anzuschauen, beziehungsweise: wenn Fußballkommentatoren arbeiten, arbeiten Fußballspieler ja auch. Zweitens weiß ich, wie das ist, wenn Menschen, die mit Medien jetzt nicht allzu viel am Hut haben, über Medien sprechen. Da stimmt auch manches nicht, da werden Dinge durcheinander gebracht, da spielen Vorurteile eine Rolle. Drittens glaube ich, dass der ehemalige Fußballprofi schlichtweg Recht hat.

Schnüffelküsse für Pep Guardiola

Wahrscheinlich findet man im Fernsehen kaum etwas, dass die unterschiedliche Wahrnehmung der Menschen von ein und demselben Ereignis so verdeutlicht wie die Übertragung eines Fußballspiels (vielleicht noch die Berichterstattung zum Thema Russland und Ukraine). Und wahrscheinlich ist die Übertragung des DFB-Pokalhalbfinales am vergangenen Dienstag zwischen Bayern München und Borussia Dortmund dafür das Paradebeispiel.

Vorweg: Ich bin ein Anhänger von Borussia Dortmund – mein Fernseherlebnis am Dienstagabend beinhaltete demnach ein Happy-End, tatsächlich habe ich alleine deshalb drei Stunden etwas anderes gesehen und gehört wie die Anhänger von Bayern München. Dass heißt: Natürlich habe auch ich das Handspiel von Marcel Schmelzer gesehen – ich bin weder blind noch bescheuert. Was ich allerdings nicht gesehen habe, war eine drückende Überlegenheit der Heimmannschaft – folgerichtig wurde ich auch nicht Zeuge eines Fußballwunders, in dem die Mannschaft, die es nicht verdient hat, ohne eigenes Zutun gewinnt. Beim Elfmeterschießen wiederum sah ich eine kuriose Ansammlung so genannter „practical jokes“ (Mann rutscht aus und fällt hin) – logischerweise sahen viele diese Sternstunde des Humors eher nicht.

Den Kommentator Gerd Gottlob schätze ich übrigens sehr. Am Dienstag ging er mir aber furchtbar auf die Nerven. Ich hatte stellenweise den Eindruck, Gottlob wirft Bayern-Trainer Pep Guardiola verbale Schnüffelküsse zu, um seine Zuneigung zu gewinnen. Viele Sportreporter scheinen ein bisschen verliebt in Guardiola zu sein, prinzipiell ist mir das egal. Am Dienstag fand ich es eine Frechheit, denn offensichtlich machte Guardiola mit seiner Taktik und seinen Auswechslungen einen Fehler nach dem anderen, sogar Lothar Matthäus hat das gemerkt, und dann sofort die „Bild“-Zeitung angerufen – und das ist ja eigentlich eher ein Indiz dafür, dass Guardiola doch alles richtig gemacht hat.

Gute Nachricht für das Fernsehen

Ich bin übrigens davon überzeugt, dass man sich Fußballspiele im Fernsehen alleine anschauen sollte. Um so größer ist dann die Verblüffung am nächsten Tag, wenn man erfährt, wie die Anderen dieses Spiel gesehen haben. Vom Spiel Bayern gegen Dortmund gab es am Mittwoch 4,25 Millionen Fassungen. Das ist, glaube ich, eher eine gute Nachricht für das Fernsehen.

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