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Medien: Die Alchemisten der Macht

Die Arte-Dokumentation „Spin-Doktoren“ zeichnet die Geschichte des Polit-Marketing nach

Der Dokumentation über „Spin-Doktoren, die Marionettenspieler der Macht“, deren erster von zwei Teilen heute ausgestrahlt wird, ist zu wünschen, dass sie möglichst wenige aus dem politischen Geschäft ansehen. Denn die vortrefflich gelungene Darstellung des allmählichen Verfalls des Politischen in bloße Inszenierung, die Transformation politischer Berater in Werbefachleute, schreckt nur den ganz normalen (Wahl-)Bürger. Jene aber, die sich professionell um die Durchsetzung ihrer politischen Ziele bemühen, fühlen sich womöglich angespornt in ihrem Treiben: noch weniger Substanz, dafür aber noch mehr Marktforschung zur Verpackungsoptimierung.

Dabei begann das, was der Film von Paul Mitchell und Tania Rakhmanova darstellt, ganz harmlos. Denn natürlich kann man einem Politiker – zumal im demokratischen Wettbewerb – nicht vorwerfen, dass er auf eine möglichst günstige Selbstdarstellung achtet. In diesem Sinne haben die frühen Phasen moderner politischer Kommunikation, die in der mit Anfang des 20. Jahrhunderts einsetzenden Arte-Dokumentation nachgezeichnet werden, geradezu archäologischen Charme. Auch die erste Phase der Politik im Fernsehzeitalter wirkt im Rückblick fast schon rührend. Wie vergleichsweise harmlos es etwa im ersten TV-Wahlkampf, der amerikanischen Präsidentschaftskampagne von 1960 – damals gewann Kennedy hauchdünn gegen Nixon –, noch zuging! Es mag wohl sein, dass sich viele Wähler vom Bild des unrasiert wirkenden, erschöpften republikanischen Kandidaten Nixon weniger angezogen fühlten als vom strahlenden Lächeln des sonnengebräunten späteren Siegers Kennedy. Mindestens ebenso entscheidend für dessen Erfolg dürften aber auch die beachtlichen Manipulationen am Wahlergebnis in Illinois gewesen sein.

Aber damit nahm ja auch alles erst seinen Ausgang. Zunächst in den USA, sodann aber auch als Exportschlager in aller (freiheitlichen) Welt. Spätestens seit den siebziger Jahren sind die amerikanischen Wahlkampfstrategen beider Parteien ausgesprochen gefragte Entwicklungshelfer in Europa. Ausführlich kommen diese im Spin-Doktor-Film zu Wort, und am Ende ist es schon erschreckend, wie sehr sie sich an ihrem inhaltsfreien Können berauschen. Einer ihrer französischen Eleven rühmt sich sogar, es als Kommunikationsstratege mit irgendeinem Kandidaten für die Präsidentschaft versucht zu haben, weil de Gaulle seine Dienste nicht wollte – nur um zu zeigen, wie und dass es geht.

Dieser erste Teil der Dokumentation endet mit Clintons Triumphzug 1992, das Schlimmste wird also erst in der zweiten Folge zu besichtigen sein. Und doch ist das jetzt schon Gezeigte widerlich genug: kalt kalkulierte Marktforschung, die Politik am Tropf der Meinungsforschung, Inszenierung von Bildern, fragwürdige Wahlwerbung, die Manipulation von Massen. Die Autoren sagen das nicht, aber beunruhigend ist es doch, wie viel von totalitärer Kommunikation die modernsten aller demokratischen Wettbewerber, eher unreflektiert und unbewusst, übernommen haben. Nur dass amerikanische Parteikonvente eben von deutlich fröhlicherer Stimmung sind als Nürnberger Reichsparteitage.

Politik als Unterzweig der Werbewirtschaft, dies ist das Geschäft der Spin-Doktoren. Darf das hoffen lassen? Denn wenn eine Werbung weiße Wäsche verspricht, das Produkt dies aber nicht hält, dann wird es nicht mehr gekauft. Pure Spin-Doktorei gerät irgendwann zwangsläufig zur Alchemistenkunst, die schnell entlarvt ist. Nur dass Politik in erster Linie eben kein Konsumprodukt ist. Gut promovierte schlechte Politik kann durchaus dauerhafte Schäden anrichten.

„Spin-Doktoren“, Arte, Teil 1, Mittwoch, 20 Uhr 40, Teil 2 29. Juni, 20 Uhr 40

Peter Siebenmorgen

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